Und sorget Ihr, die Ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibt

Am 2. September fand auf dem Friedhof des Stalag VI K in Stukenbrock die Mahn-und Gedenkstunde zum Antikriegstag 2023 statt. Der Obelisk auf dem Friedhof erinnert daran, dass dort 65.000 sowjetische Kriegsopfer begraben sind. Die meisten wurden im nahen Kriegsgefangenenlager Stalag (326) VI K ums Leben gebracht. Die Verstorbenen stammen aus allen 15 Sowjetrepubliken. Sie wurden Opfer des Vernichtungskrieges, den Deutschland gegen die Sowjetunion und die sowjetischen Menschen führte.

Etwa 200 Menschen aus der Region und aus ganz Nordrhein-Westfalen waren gekommen um an der Mahn- und Gedenkstunde teilzunehmen und Blumen an den Gräbern niederzulegen. Eingeladen hatte der Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“.

Prof. Dr. Normann Paech, Völkerrechtler aus Hamburg und in diesem Jahr Hauptredner, mahnte die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer an. Heute verneigen wir uns in Erinnerung an die Toten vor ihren Gräbern, doch dies macht nur Sinn, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden. Unsere Verantwortung ist Frieden mit Russland, nicht Krieg mit Russland, ist der Schutz des Lebens und der Städte, ist Interessenausgleich. Der Kriegslogik muss eine Friedenslogik entgegengesetzt werden.

Eine Inschrift auf dem Friedhof mahnt die Besucher*innen  angesichts der tausenden Kriegsopfer: »Und sorget Ihr, die Ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibt, Frieden zwischen den Menschen, Frieden zwischen den Völkern«.

Vielgestaltiges Erinnern

Als in den späten Abendstunden des 8. Mai 1945 in Berlin Karlshorst die bedingungslose Kapitulation von deutschen Generälen unterschrieben wurde, endete in Europa der Zweite Weltkrieg. Für die Alliierten war es der Tag des Sieges über Hitlerdeutschland und die Wehrmacht. Für Millionen Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge bedeutete dieser Tag ihre Befreiung aus Zwangsarbeit und den faschistischen Lagern. Für die Menschen überall in Europa war es die Befreiung von deutscher Besatzung und vom Faschismus.  

Auch die Gefangenen des Stalag VI K in der Senne kamen frei. Bereits Anfang April besetzen Britischen Truppen das Kriegsgefangenenlager Stalag VI K. Die Überlebenden, zumeist sowjetische Kriegsgefangene, beschlossen zum Gedenken an die tausenden Rotarmisten, die im Stalag VI K ums Leben gebracht wurden, ein Denkmal auf dem Lagerfriedhof zu errichten. Dieses Denkmal wurde unter großer Anteilnahme am 2. Mai 1945 eingeweiht.

Auch heute noch kommen viele Menschen, in Erinnerung an den Tag der Befreiung, um den 8. Mai herum auf den Friedhof des Stalag VI K nach Stukenbrock und legen dort Blumen nieder. Die Motive der Besucher*innen mögen sehr unterschiedlich sein und nicht immer geht es nur um ein Gedenken an die Opfer des Krieges und den Tag der Befreiung vom Faschismus.

Unter den Besucher*innen am 8. Mai sind auch Familien, die ganz persönlich eines Angehörigen gedenken wollen, der im Stalag VI K umkam. Sie kommen zum Grab ihres Großvater oder Urgroßvaters und legen dort Blumen nieder. So erinnern sie am Tag des Sieges und der Befreiung daran, mit welchen großen persönlichen Verlusten für die Familien aus der Sowjetunion dieser Sieg erkämpft wurde.

Auch Alexandr und Vitali Belous, die im vergangenen Jahr vor Krieg und Zerstörung aus der Ukraine geflohen waren, besuchten den Friedhof. Alexandrs Großvater, Anatoli Ruge, geriet als Rotarmist in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn in das Stalag VI K, wo er im März 1944 starb. Er hinterließ eine Ehefrau und eine kleine Tochter.

Alexandr und Vitali Belous an dem Platz, an dem sich das Grab von Anatoli Ruge befindet. Vitali sucht den Namen seines Urgroßvaters auf einer Stele auf dem Friedhof des Stalag VI K

Eine Tafel an seiner Grabreihe erinnert heute an Anatoli Ruge. Alexandr Belous, sein Enkel, hat diese Tafel aufgestellt. Er sagt: „Uns ist das Gedenken wichtig, es bedeutet uns sehr viel.“