Zwangsarbeit im Ruhrbergbau

Als Hitlerdeutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, ging nicht nur darum, den Sowjetstaates zu beseitigen und die Menschen zu versklaven. Millionen Menschen sollten ermordet werden. Der Vernichtungskrieg gegen Sowjetunion und die Menschen dort wurde aber nicht nur im Osten geführt, sondern er setzte sich im Deutschen Reich fort. Millionen sowjetische Bürger*innen wurden verschleppt und mussten Zwangsarbeit leisten. Viele kamen ins Ruhrgebiet und ins Rheinland und mussten auf Zechen, in Stahlwerken und Rüstungsbetrieben schuften. Ein besonders hartes Schicksal hatten die sowjetischen Kriegsgefangenen.

Die deutsche Schwerindustrie profitiert

Kohle war für die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe der wichtigste Energieträger. Im Ruhrgebiet gab es in den 1930ziger Jahren mehr als 120 Zechen. Um den Energiebedarf für die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe zu sichern und den Arbeitskräftemangel, der durch die zunehmende Einberufung von Bergleuten zur Wehrmacht entstanden war, zu beseitigen, forderte die Reichsvereinigung Kohle bereits im Sommer 1941 sowjetische Kriegsgefangene verstärkt im Bergbau einzusetzen. Die Reichsvereinigung Kohle wurde im Frühjahr 1941, auf Vorschlag der Industrie, gegründet. Beteiligt waren u.a. Alfred Krupp und Friedrich Flick. Vorsitzender wurde Paul Pleiger, der aus Witten stammte. Er war ein sehr hoher Nazifunktionär und wurde nach dem Krieg wegen Verbrechen gegen den Frieden, Plünderung und Beteiligung an Zwangsarbeiterprogrammen angeklagt und zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verteilt. Er kam jedoch bereits 1951 frei.


Mit ihrer Forderung sowjetische Kriegsgefangene auf den Zechen einzusetzen, hatte die Reichsvereinigung Kohle im Sommer 1942 Erfolg. Zur schnellen Zuweisung der Gefangenen funktionierte die Wehrmacht im Oktober 1942 das Stalag VI A (Mannschafts-stammlager) im sauerländischen Hemer zu einem speziellen „Bergbaulager“ um. Bereits im Herbst 1942 wurden sowjetische Kriegsgefangene in großer Zahl aus anderen Stalags in das Stalag VI A gebracht und von dort kamen sie sofort in die Arbeitskommandos, die sich ganz in der Nähe der Zechen befanden. Auch in Dortmund, u.a. auf Zeche Kaiserstuhl, die damals Hoesch gehörte, oder auf den Zechen der Gelsenkirchener Bergbau-AG, wurden sowjetische Kriegsgefangene in großer Zahl eingesetzt. Die Gelsenkirchener Bergbau-AG (GBAG) wurde in den 1930er Jahren als Betriebsgesellschaft für die Zechen der Vereinigten Stahlwerk AG gegründet. Erster Vorsitzender des Aufsichtsrates war Albert Vögler, Vorstandsvorsitzender war Gustav Knepper, der bekennender Nazi war und für seinen Umgang mit den Zwangsarbeitern das Kriegsverdienstkreuz erhielt. 1942 wurde Otto Springorum sein Nachfolger. Ehrenvorsitzender war der ehemalige Chef der GBAG Emil Kirdorf. In Dortmund gehörten der GBAG sechs vom  elf Zechen: Westhausen, Hansa, Minister Stein, Adolf von Hansemann, Zollern/Germania und Fürst Hardenberg.

Sklavenarbeit im Ruhrbergbau

Im Frühjahr 1943 dürften auf den 11 Dortmunder Zechen jeweils bis zu 500 sowjetische Kriegsgefangene in den Arbeitskommandos, in umzäunten und bewachten Lagern, gewesen sein.

Ohne ausreichende Ernährung, ohne geeignet Kleidung, ohne eine entsprechende Unterkunft und die notwendige Gesundheitsversorgung mussten die Gefangenen auf den Zechen schuften. Sie waren ständigen Demütigungen und Bestrafung ausgesetzt. Bombenangriffen waren sie ausgeliefert, da es ihnen nicht erlaubt war Schutzräume aufzusuchen. Bereits nach kurzer Zeit waren die Gefangenen aufgrund der schweren Arbeit und katastrophalen Lebensbedingungen völlig entkräftet und krank. Sie wurden in das Lazarett des Stalag VI D an der Westfalenhalle in Dortmund gebracht, wo viele starben und auf dem Ausländerfriedhof anonym begraben wurden.


Im Sommer 1944 schufteten rd. 94.000 sowjetische Kriegsgefangene im Ruhrbergbau. Die Gelsenkirchener Bergbau-AG und alle anderen Eigner der Zechen haben von der Sklavenarbeit sowjetischer Kriegsgefangener erheblich profitiert. Ebenso profitiert hat die Wehrmacht, die für jeden Gefangenen, der in der Industrie oder in die Landwirtschaft schuften musste, von den Unternehmen Geld erhielt. Über die Wehrmacht profitierte der faschistische Staat von den Gefangenen.

Die Opfer der Zwangsarbeit wurden schnell vergessen

In der Nachkriegszeit wurden die Menschen, die Opfer der Zwangsarbeit wurden, schnell vergessen. Nach ihnen wurde nicht geforscht, ihre Gräber wurden eingeebnet, ihre Namen wurden nicht genannt und blieben vielfach unbekannt. Das setzt sich bis heute fort, auch in Dortmund. Auf dem Internationalen Friedhof wird das Ausmaß des Sterbens und die Anzahl der sowjetischen Kriegsopfer bis heute nicht deutlich und die verstorbenen sowjetischen Bürger*innen haben auch 77 Jahre nach dem Ende des Krieges in der Öffentlichkeit keinen Namen. Die lange geplante Errichtung von Namensstelen für die sowjetischen Kriegsopfer ist bis heute nicht erfolgt. Inzwischen wurde das Projekt, nach Aussagen der Stadt Dortmund, wegen des Kriegs in der Ukraine zurückgestellt.

Gedenken am 22. Juni 2022 in Dortmund

Am 22. Juni 1941 begann der  Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. 27 Millionen Menschen aus der Sowjetunion verloren ihr Leben. Nahezu jede Familie hat Opfer zu beklagen.
In Dortmund wurde mit einem Gedenken an der Westfalenhalle und auf dem Internationalen Friedhof an den Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion erinnert.

Von der Wehrmacht wurde dieser Vernichtungskrieg aktiv und mit ideologischer Überzeugung umgesetzt. Dazu gehörten die Erschießung aller gefangenen Politkommissare der Roten Armee, die Massaker an der Zivilbevölkerung zur Vergeltung von sowjetischen Partisanenaktionen und das Massensterben infolge der deutschen Hungerpolitik. 10 Millionen Soldaten der Wehrmacht trugen an der Ostfront die Verantwortung für den Tod von 11 Millionen Rotarmisten und 14 Millionen Zivilisten. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ermöglichte erst den Holocaust. SS-Einheiten und Polizei-Bataillone ermordeten in der Sowjetunion mehr als 3 Millionen Juden.

3,3 Millionen sowjetische Soldaten starben in deutscher Kriegsgefangenschaft

Ein Großverbrechen war der lange geleugnete und vergessene Tod von 3,3 Millionen sowjetischen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft. Sie waren Wehrmachtssoldaten als Bewachern ausgeliefert und wurden zu Tausenden erschossen. Die meisten starben an Hunger, an Seuchen und nicht behandelten Krankheiten. Die Sterblichkeit lag bei 60 Prozent. Ab Herbst 1942 wurden sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt. Viele kamen ins Ruhrgebiet. Ohne ausreichende Ernährung, ohne geeignet Kleidung, ohne eine entsprechende Unterkunft und ohne die notwendige Gesundheitsversorgung mussten sie auf den Zechen, in Stahlwerken und Rüstungsbetrieben schuften. Die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, die Demütigungen und Bestrafung waren Teil eines rassistischen Programms. Dieser Rassismus rechtfertigte das verbrecherische Handeln.  Der Vernichtungskrieg gegen die Menschen der Sowjetunion wurde im Ruhrgebiet fortgesetzt. Das Stalag VI D in Dortmund an der Westfalenhalle war ein Ort des Leidens und Sterbens für zigtausende sowjetische Kriegsgefangene. Vom Stalag VI D aus wurden sie in die Arbeitskommandos geschickt. Viele kamen völlig erschöpft und krank von der harten Arbeit in das Stalag zurück und starben im Lazarett.

Nikolaj Nowikow starb im Stalag VI D an der Westfalenhalle in Dortmund. Er war der erster sowjetische Kriegsgefangenen, der auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg begraben wurde

Frauen in der Rotenarmee

Ob im Stalag VI D auch Frauen waren ist nicht bekannt. Rotarmistinnen, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, wurden in der Regel sofort von den Männern getrennt. Die gefangenen Frauen wurden bis 1943 nur selten nach Deutschland gebracht. Sie blieben in den Lagern in den besetzten Gebieten in eigens abgetrennten Bereichen. Ab 1943 wurden die Frauen aufgrund des Arbeitskräftemangels im Deutschen Reich offiziell aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Sie mussten – als zivile „Ostarbeiterinnen“ oder als KZ-Häftlinge der SS – Zwangsarbeit leisten. Zwischen 800.000 und einer Millionen Frauen waren zwischen 1941 und 1945 in der Roten Armee

Nikolaj Wazhenin

Er wurde am 25.Mai 1918 im Gebiet Altai in Sibirien im Dorf Welowo geboren. Er war Arbeiter und verheiratet.
Am 27. Juni 1941 geriet er bei Kartus-Beresa in Weißrussland in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) 366 Siedlce in Polen registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 11249. Man brachte ihn am 6. Juli 1942 in das Stalag XI B, Fallingbostel, dort war er in verschiedenen Arbeitskommandos.
Von dort kam er am 12. Januar 1943 kam er in das Stalag VI A Hemer und von dann in das Arbeitskommando 760R Zeche Emscher-Lippe in Datteln. Vom 13. Januar bis 1. März 1944 war er im Lagerlazarett. Dann brachte man ihn in das Stalag VID nach Dortmund und schließlich in das Arbeitskommando R2250 Letmathe.
Am 15. März 1944 starb er im Stalag VI D in Dortmund an Lungen-Tbc. Er wurde am 17. März 1944 auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 7, Grabnummer 4018, begraben. Er war 25 Jahre alt.

Nikolai Nowikow

Nikolaj Nowikow wurde am 20. Mai 1909 geboren, er stammte aus dem Dorf Lugi im Gebiet Leningrad, er war mit Maria Petrowna Nowikowa verheiratet und in der Landwirtschaft tätig.
Am 11. Juli 1941 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Am 16. Oktober kam er im Lager VI K in der Senne an und wurde dort registriert. Er erhielt die Erkennungsmarken-Nr. 13006.
Von dort wurde er nach Dortmund in das Stalag VI D an der Westfalenhalle gebracht, um gemeinsam mit anderen Gefangenen das Lager C aufbauen.
Er starb am 6. November 1941 im Stalag VI D in Dortmund an der Westfalenhalle und wurde am 11. November 1941 auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 2 begraben. Er war 32 Jahre alt.

Wassili Ageew

Er wurde am 20.10.1919 in Tatarstan geboren. Von Beruf war er Dreher und seit Ende 1940 Soldat in der Roten Armee.
Er geriet im Juli oder August 1941 bei Nowgorod in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Er wurde im Stalag (Stammlager) VI K (326) Senne registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 15645. Man brachte ihn im Herbst 1941 in das Stalag VI D Dortmund.
Er starb im Dezember 1941 und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund beerdigt. Er war 22 Jahre alt.

Grigorij Schanow

Er wurde am 3.12.1911 im Gebiet Komi im Nordwesten Russlands geboren.
Er war in der Landwirtschaft tätig.
Am 27. Juli 1941 geriet er in Estland in deutsche Kriegsgefangenschaft und kam mit dem ersten oder zweiten Gefangenentransport im Sommer 1941 in das Stalag VI K Senne (326). Er wurde dort registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 12245. Man brachte ihn im Herbst 1941 in das Stalag VI D nach Dortmund, wo er vermutlich beim Bau des Lagers C eingesetzt wurde.
Er starb im September 1942 und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund beerdigt. Er war 31 Jahre alt.
Auch seine Brüder Modest (1914), Iwan (1919) und Alexandr (1923) sind im Krieg gefallen.

Gedenken zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion

Vor 80 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht heimtückisch die Sowjetunion und führte einen Vernichtungskrieg gegen sie. 27 Millionen sowjetische Bürger*innen verloren in diesem Krieg ihr Leben.  Von den 5,7 Millionen sowjetischen Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren, starben 3,3 Millionen.
Zu den Opfern dieses Vernichtungskrieges gehörten auch Kriegsfangenen, die in Dortmund ums Leben gebracht wurde.  An sie, ihr Leiden und ihren Tod wollten
Dortmunder Vereine und Friedensinitiativen in einer Gedenkstunde am 22. Juni an der Westfalenhalle erinnern. Rund 80 Teilnehmer*innen waren der Einladung gefolgt.

An und in der Westfalenhalle befand sich während des 2. Weltkriegs das Stalag VI D. Mehr als 300.000 Kriegsgefangene durchliefen das Lager. Für sie war das Stalag VI D ein Ort des Leidens und Sterbens. Besonders schwer war das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen. In verschiedenen Beiträgen wurde an die Opfer des Vernichtungskriegs erinnert und daran, dass wir heute eine Verantwortung für Frieden und Versöhnung haben.

Egor Tulinow

Er wurde im Jahr 1900 im Gebiet Woronesch geboren. Er war verheiratet und von Beruf Tischler.
Am 24.5.1942 geriet er auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) IV B Mühlberg registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 168907.
Von dort kam er am 7.8.1942 in das Stalag IV D nach Torgau und schließlich in das Arbeitskommando Ammendorf.
Am 29.12.1942 brachte man ihn in das Stalag VI A Hemer und dann in das Arbeitskommando 718R Zeche Klosterbusch in Herbede. Am 10.3.1943 kam er ins Krankenrevier, wo er bis zum 1.9.1943 blieb. Am 25.9.1943 kam er in das Stalag VI D Dortmund und von dort in das Arbeitskommando 2154 Hattingen und am 6.1.1944 in das Arbeitskommando 2164 Hattingen.
Am 20.4.1944 starb er. Er wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 44 Jahre alt.

Wasily Romanenko

Er wurde am 29.4.1910 in Gebiet Odessa geboren. Von Beruf war er Feldscher.
Am 17.5.1942 geriet er bei Barwenkowo in der Ukraine in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Er wurde im Stalag (Stammlager) IX A Ziegenhain registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 72622. Man brachte ihn am 22.9.1942 zum Arbeitseinsatz in das Stalag IX C Bad Sulza. Am 20.8.1943 kam er in das Stalag VI A Hemer und am 24.8.1943 in das Arbeitskommando 561R Zeche Ewald in Buer Resse. Vom 9.10. bis 13.11.1943 war er im Krankenrevier. Am 30.11. kam er in das Stalag VI D Dortmund, Lager C. Am 18.3.1944  brachte man ihn in das Stalag VI G Bonn Zweiglager Arnoldsweiler. Bereits am 25.3.1944 kehrte er in das Lager C des Stalag VI D zurück und am 29.3.1944 kam er ins Krankenrevier.
Er starb am 20.4.1944 und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 33 Jahre alt.

Pawel Krischanoskij

Er wurde am 26.3.1921 im Gebiet Odessa geboren. Er war Landarbeiter.
Am 27.6.1941 geriet er bei Karscharki in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) 304 (IV H) Zeithain registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 749. Man brachte ihn von dort in das Stalag VII A Moosburg, dann in die Arbeitskommandos in Pocking und Lechfeld, zwischen denen er mehrfach wechselte.
Am 31.3.1943 kam in das Stalag VI A Hemer und am 4.4.1943 in das Arbeitskommando 561R Zeche Ewald in Gelsenkirchen Resse. Am 7.1.1944 kam er ins Krankenrevier und am 29.1.1944 bracht man ihn ein das Stalag VI D in Dortmund ins Lager C und schließlich am 2.2.1944 Arbeitskommando nach Rummenohl. Am 10.3.1944 kehrte er in Stalag VI D zurück und kam ins Krankenrevier.
Am 16.3.1944 starb er und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 22 Jahre alt.