Gedenken zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion

Vor 80 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht heimtückisch die Sowjetunion und führte einen Vernichtungskrieg gegen sie. 27 Millionen sowjetische Bürger*innen verloren in diesem Krieg ihr Leben.  Von den 5,7 Millionen sowjetischen Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren, starben 3,3 Millionen.
Zu den Opfern dieses Vernichtungskrieges gehörten auch Kriegsfangenen, die in Dortmund ums Leben gebracht wurde.  An sie, ihr Leiden und ihren Tod wollten
Dortmunder Vereine und Friedensinitiativen in einer Gedenkstunde am 22. Juni an der Westfalenhalle erinnern. Rund 80 Teilnehmer*innen waren der Einladung gefolgt.

An und in der Westfalenhalle befand sich während des 2. Weltkriegs das Stalag VI D. Mehr als 300.000 Kriegsgefangene durchliefen das Lager. Für sie war das Stalag VI D ein Ort des Leidens und Sterbens. Besonders schwer war das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen. In verschiedenen Beiträgen wurde an die Opfer des Vernichtungskriegs erinnert und daran, dass wir heute eine Verantwortung für Frieden und Versöhnung haben.

Egor Tulinow

Er wurde im Jahr 1900 im Gebiet Woronesch geboren. Er war verheiratet und von Beruf Tischler.
Am 24.5.1942 geriet er auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) IV B Mühlberg registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 168907.
Von dort kam er am 7.8.1942 in das Stalag IV D nach Torgau und schließlich in das Arbeitskommando Ammendorf.
Am 29.12.1942 brachte man ihn in das Stalag VI A Hemer und dann in das Arbeitskommando 718R Zeche Klosterbusch in Herbede. Am 10.3.1943 kam er ins Krankenrevier, wo er bis zum 1.9.1943 blieb. Am 25.9.1943 kam er in das Stalag VI D Dortmund und von dort in das Arbeitskommando 2154 Hattingen und am 6.1.1944 in das Arbeitskommando 2164 Hattingen.
Am 20.4.1944 starb er. Er wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 44 Jahre alt.

Wasily Romanenko

Er wurde am 29.4.1910 in Gebiet Odessa geboren. Von Beruf war er Feldscher.
Am 17.5.1942 geriet er bei Barwenkowo in der Ukraine in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Er wurde im Stalag (Stammlager) IX A Ziegenhain registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 72622. Man brachte ihn am 22.9.1942 zum Arbeitseinsatz in das Stalag IX C Bad Sulza. Am 20.8.1943 kam er in das Stalag VI A Hemer und am 24.8.1943 in das Arbeitskommando 561R Zeche Ewald in Buer Resse. Vom 9.10. bis 13.11.1943 war er im Krankenrevier. Am 30.11. kam er in das Stalag VI D Dortmund, Lager C. Am 18.3.1944  brachte man ihn in das Stalag VI G Bonn Zweiglager Arnoldsweiler. Bereits am 25.3.1944 kehrte er in das Lager C des Stalag VI D zurück und am 29.3.1944 kam er ins Krankenrevier.
Er starb am 20.4.1944 und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 33 Jahre alt.

Pawel Krischanoskij

Er wurde am 26.3.1921 im Gebiet Odessa geboren. Er war Landarbeiter.
Am 27.6.1941 geriet er bei Karscharki in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) 304 (IV H) Zeithain registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 749. Man brachte ihn von dort in das Stalag VII A Moosburg, dann in die Arbeitskommandos in Pocking und Lechfeld, zwischen denen er mehrfach wechselte.
Am 31.3.1943 kam in das Stalag VI A Hemer und am 4.4.1943 in das Arbeitskommando 561R Zeche Ewald in Gelsenkirchen Resse. Am 7.1.1944 kam er ins Krankenrevier und am 29.1.1944 bracht man ihn ein das Stalag VI D in Dortmund ins Lager C und schließlich am 2.2.1944 Arbeitskommando nach Rummenohl. Am 10.3.1944 kehrte er in Stalag VI D zurück und kam ins Krankenrevier.
Am 16.3.1944 starb er und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 22 Jahre alt.

Alexander Iltschenko

Er wurde am 16.8.1921 in der Ukraine geboren, von Beruf war er Schlosser.
Am 17.8.1941 geriet er bei Senkow in deutsche Kriegsgefangenschaft und kam in das Stalag 349 Uman. Er wurde im Stalag (Stammlager) XI A Altengrabow registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 124132. Von Juli 1942 bis Januar 1943 war er in verschiedenen Arbeitskommandos des Stalag XI A . Am 11.2.1943 kam er in das Stalag VI A Hemer und von dort am 16.2.1943 in das Arbeitskommando 156R Zeche Westerhold in Gelsenkirchen Buer und im Oktober 1943 in das Arbeitskommando 159R Zeche Möller in Gladbeck. Am 11.2.1944 brachte man ihn in das Stalag VI D nach Dortmund. Bis zum 10. Mai 1944 war er im Arbeitskommando R3052 in Dortmund. Am 30.5.1944 kehrte er in das Stalag VI D zurück. Dort war er im Krankenrevier.
Er starb am 6. Juni 1944 und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg beerdigt. Er war 22 Jahre alt.

Mogdje Zohorow

Er wurde 1917 im Dorf Perutschunowsk geboren. Er war in der Landwirtschaft tätig. Seine Nationalität war Kalmücke.
Am 20.5.1942 geriet er bei Charkow in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Stalag (Stammlager) VI K (326) Senne registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 99574. Am 1.12.1942 kam er in das Stalag XI B Fallingbostel und von dort in das Arbeitskommando 3133 Drütte, Kreis Wolfenbüttel. Am 19.2.1943 brachte ihn in das Stalag XI C Bergen Belsen. Vom 20.2. bis 13.8. 1943 war er im Lazarett, am 16.8.1943 wieder in das Stalag XI B, und vom 23.8. bis 1.9. im Arbeitskommando 3133 Drütte. Am 14.9.1943 kam er in das Stalag VI A Hemer. Im Oktober bracht man ihn in ein Arbeitskommando des Stalag VI D. Am 7.6.1944 kam er in das Krankenrevier des Stalag VI D Dortmund. Dort starb er am 13.6.1944. Er wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 7 beerdigt. Er war 27 Jahre alt.

Sowjetische Kriegsopfer auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund

Mit einem Schreiben vom 8.12.1946 beantwortet das Garten- und Friedhofsamt in Dortmund eine Anfrage in der es mitteilt, dass bei einem Bombenangriff am 6. Oktober 1944 die Büros, in denen sich die entsprechenden Unterlagen befanden, zerstört wurden. Darüber hinaus meldet es, für sowjetische Zivilarbeiter*innen lägen Sterbeurkunden vor und die Verstorbenen seien in Einzelgräbern begraben worden. Für die sowjetischen Kriegsgefangenen gibt es an, dass deren Beerdigung Angelegenheit der Wehrmacht gewesen sei und die Verstorbenen in Massengräbern begraben wurden.
Bekannt seien nur 1134 Namen von Zivilarbeiter*innen und 621 Namen von sowjetischen Armeeangehörigen. „Über den Rest von 3230 Toten ist nichts bekannt.“ Das Garten- und Friedhofsamt ist bemüht die gemeldete Zahl von 4985 Begräbnissen zu plausibilisieren in dem es vorrechnet: „Wenn man rund 4 Jahre zu Grunde legt, dann entfallen auf einen Tag durchschnittlich 4 Sterbefälle“. Es gibt aber zu bedenken, „dass durch Bombenabwürfe Lager mit mehr als 150 Russen an einem Tag vernichtet worden sind.“

Kurz nach Ende des Krieges teilten verschiedene Stellen in Dortmund unterschiediliche Opferzahl mit. Im Juli 1945 meldete das Garten- und Friedhofsamt auf Anfrage der Alliierten 5326 russische Staatsangehörige, die in Dortmund begraben sind, 3642 Kriegsgefangene, 1684 Zivilarbeiter*innen.
Im November 1946 heißt es in einem Schreiben der sowjetischen Militärbehörden an die britischen Militärbehörden: „Offiziell sind auf dem Friedhof 17.000 sowjetische Bürger*innen begraben. Auf der Liste der britischen Militärbehörden stehen 4985, davon 4736 Männer, 132 Frauen, 117 Kinder“ . Die Opferzahl 4985 war kurz vorher, im Oktober 1946, aus Dortmund an die britische Militärbehörde gemeldet worden.

Auf den Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund sind auf den Gräberfeldern 2,3,4,6,7,8,9,13,16,18,19 sowjetische Bürger*innen begraben. Auf den Gräberfeldern befinden sich Obelisken mit Opferzahlen. Die Gesamtzahl der Opfer von allen Obelisken beträgt 6738.

Wieviel sowjetische Kriegsopfer sind tatsächlich auf dem Internationalen Friedhof begraben?

Es fällt auf, dass im Sterbebuch für „Russische Kriegsgefangene“ alle mit „Unbekannt“ eingetragenen 3230 sowjetischen Kriegsgefangenen im Stalag VI D an der Westfalenhalle zu Tode kamen. Während die 621 namentlich in dieses Sterbebuch eingetragenen Verstorbenen in Arbeitskommandos umkamen, die ebenso wie das Stammlager VI D an der Westfalenhalle der Wehrmacht unterstanden. Offenbar nicht eingetragen wurden Opfer von Bombenabwürfen auf Lager, von denen das Garten- und Friedhofsamt vermutet, dass „mehr als 150 Russen an einem Tag vernichtet worden sind“.

Ein solcher Luftangriff ereignete sich am 4. und 5. Mai 1943 in der Umgebung des Stalag VI D an der Westfalenhalle. 35 Zivilarbeiter*innen sowie 28 französische und 240 sowjetische Kriegsgefangene kamen ums Leben. Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden zunächst als Opfer des Bombenangriffs gemeldet. Die Zahl der getöteten Kriegsgefangenen korrigierte man aber später, indem man die 240 „russischen“ Kriegsgefangenen durchstrich und stattdessen die Zahl 28 eintrug. Ein Dokument der Wehrmacht, das in der Datenbank OBD-Memorial eingesehen werden kann, zeigt 195 namentlich genannte sowjetische Kriegsgefangenen, die bei dem Bombenangriff 5. Mai 1943 getötet und deren Überreste auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 4 in einem Massengrab begraben wurden. Das Sterbebuch für „Russische Kriegsgefangene“ verzeichnet für Dienstag, den 4. Mai und Mittwoch, den 5. Mai 1943 keinen einzigen Sterbefall. Die Unterlagen über die Bombenopfer wurden zwar an die Wehrmachtsauskunftstelle (WASt) nach Berlin gesandt, aber offenbar ist der Lagerbericht des Stalag VI D an der Westfalenhalle für die städtischen Behörde verloren gegangen. Nach Auswertung einer großen Anzahl von Personalkarten I konnten von uns 48 Opfer gefunden werden, die in den folgenden 10 Tagen nach dem Luftangriff auf dem Internationalen Friedhof begraben wurden.

Weiter haben unsere Recherchen ergeben, dass auf vielen Personalkarten I der Kriegsgefangenen und auf den Sterbeurkunden der Zivilarbeiter*innen Grabnummern eingetragen wurden. Ein Feld auf dem Internationalen Friedhof hat z.B. Grabnummern von 1 bis 300. Ab Nummer 200 wurden die Gräber sogar doppelt belegt. Das könnte bedeuten, dass dort bis zu 400 Bestattungen vorgenommen wurden. In den Namenslisten konnten für dieses Feld bis heute nur 188 Namen gefunden werden. Das heißt, dass die Listen immer noch lückenhaft sind und die Zahl der sowjetischen Kriegsopfer, die auf dem Internationalen Friedhof begraben, möglicherweise doppelt so hoch ist.


So stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Höhe der Opferzahl. Klarheit könnte eine gründliche wissenschaftliche Auswertung von Dokumenten in verschiedenen Archiven und eine archäologische Bodenuntersuchung auf dem Internationalen Friedhof bringen.


Gegen das Vergessen – Mahn- und Gedenkveranstaltung am 22. Juni an der Westfalenhalle in Dortmund

Für viele Menschen ist die Westfalenhalle in Dortmund mit schönen Erinnerungen an bewegende Konzerte, an spannende Sportereignisse, an interessante politische Veranstaltungen und begegnungsreiche Messen verbunden. Wir sollten aber niemals vergessen, dass dieser Ort für viele Menschen eine ganz andere Bedeutung hatte. Er war ein Ort des Leides und der Not. Ein Ort wo „manche Brust ein Seufzer dehnet, will wir hier gefangen sind“, wie das Moorsoldaten Lied sagt. Und mehr noch, für tausende Menschen war es ein Sterbeort. Im Dortmunder Stadtarchiv befindet sich das Totenbuch für sowjetische Kriegsgefangene mit mehr als 3000 Einträgen über Todesfälle aus dem Stalag VI D an der Westfalenhalle.
Von 1939 bis Anfang 1945 war an und in der Westfalenhalle ein großes Kriegsgefangenenlager. Mehr als 340.000 Menschen durchliefen das Lager, sie wurden zur Zwangsarbeit in Dortmunder Betrieben und im gesamten Umland, im Münsterland und im Sauerland, eingesetzt. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen war besonders schwer.

Stalag VI D an der Westfalenhallen, die Gebäude des Lagers für sowjetische Kriegsgefangene sind rot eingezeichnet. Die heutigen der Gebäude auf dem Messegelände und die Westfalenhalle sind grau eingezeichnet

Als Nazideutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, war für die Naziführung und die Wehrmacht schon klar, dass es sich um einen Vernichtungskrieg handelte. Mit dem Barbarossoerlass wurde die Zivilbevölkerung zu Opfern dieses Vernichtungskriegs. Außerdem galt für die sowjetischen Kriegsgefangenen „der Kommunist ist kein Kamerad“. Die Wehrmacht rückte von Standpunkt des „soldatischen Kameradentums“ ab und setzte sich über Internationales Recht hinweg. Von 5 Mio sowjetischen Kriegsgefangenen kamen 3 Mio in deutscher Kriegsgefangenschaft um. Das ist eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht und Nazideutschlands.

Ein Schauplatz dieses Verbrechens war das heutige Messegelände rund um die Westfalenhalle, es geschah vor den Augen der Dortmunder*innen.

Bei allen schönen Erinnerungen an diesen Ort verbinden, sollte das niemals vergessen werden.
Gegen das Vergessen hatten der Förderverein Gedenkstätte Steinwache- Internationales Rombergpark Komitee, die Botschafter*innen der Erinnerung und der Historische Verein Ar.kod.M zu einer Mahn- und Gedenkstunde am 22. Juni eingeladen.