Tod im Bombenhagel

Am 5. Mai 1943 wurde die Dortmunder Nordstadt, die Westfalenhütte und die Zeche Kaiserstuhl durch einen schweren Bombenangriff getroffen, der viele Todesopfer forderte. Zu den Opfern gehörten auch 194 sowjetische Kriegsgefangene des Arbeitskommando 607R Zeche Kaiserstuhl.

Nach Unterlagen der Stadt Dortmund kamen am 5. Mai 1943 35 Zivilarbeiter*innen sowie 28 französische und 240 „russische“ Kriegsgefangene um. Sie wurden zunächst als Opfer des Bombenangriffs gemeldet. Die Zahl der getöteten sowjetischen Kriegsgefangenen korrigierte die Stadt Dortmund später. Auch die Männer des Arbeitskommandos 607R wurden aus der Liste gestrichen. Ins Sterbebuch trug man sie nicht ein. Ihre Überreste wurden anonym auf dem Internationalen Friedhof begraben. In Dortmund wurden sie schnell vergessen.

Doch vor wenigen Jahren konnte eine Verlustliste des Stalag VI A Hemer ausfindig gemacht werden. Sie nennt die 194 sowjetischen Kriegsgefangenen namentlich, die bei dem Bombenangriff am 5. Mai. 1943 auf Zeche Kaiserstuhl umkamen. Erst heute kennen wir die Namen und das Schicksal der Männer des Arbeitskommandos 607R.

Sowjetische Kriegsgefangenene leisten Zwangsarbeit auf Ruhrgebiets Zechen

Von der Reichsvereinigung Kohle war seit Sommer 1941 gefordert worden sowjetische Kriegsgefangene auf den Zechen einzusetzen. Mit dieser Forderung setzte sie sich, nach anfänglicher Weigerung der Nazioberen, im Sommer 1942 durch. Mit dem Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen sollte der Arbeitskräftemangel, der durch die zunehmende Einberufung von Bergleuten zur Wehrmacht entstanden war, beseitigt werden. Die Kohle wurde gebraucht, um den Energiebedarf der Stahlwerke und Rüstungsbetriebe zu befriedigen.

Zur schnellen Zuweisung der Gefangenen funktionierte die Wehrmacht im Oktober 1942 das Stalag (Mannschaftsstammlager) VI A im sauerländischen Hemer zu einem speziellen „Bergbaulager“ um. Bereits im Herbst 1942 wurden sowjetische Kriegsgefangene in großer Zahl aus anderen Stalags in das Stalag IV A gebracht und von dort kamen sie sofort in die Arbeitskommandos auf die Zechen des Ruhrgebiets. Die Gefangenen waren nun Bergleute, doch für die harte Arbeit erhielten sie keinen angemessenen Lohn. Ohne ausreichende Ernährung, ohne geeignete Kleidung, ohne eine entsprechende Unterkunft und ohne die notwendige Gesundheitsversorgung waren sie in umzäunten und bewachten Lagern untergebracht und mussten auf den Zechen schuften. Bombenangriffen waren sie ausgeliefert, da es ihnen nicht erlaubt war Schutzräume aufzusuchen.

Das Arbeitskommando 607R Zeche Kaiserstuhl

Auch auf der Zeche Kaiserstuhl setzte man auf Zwangsarbeit. Um die Jahreswende 1942/1943 dürften mehr als 500 sowjetische Kriegsgefangene im Arbeitskommando 607R Zeche Kaiserstuhl gewesen sein. Knapp die Hälfte von ihnen kam aus frontnahen Lagern, wo sie seit ihrer Gefangennahme unter schwierigsten Bedingungen in Gewahrsam waren. Ein Viertel war bereits im Reichsgebiet und kam aus Stalags mit landwirtschaftlichen oder kleinindustriellen Arbeitskommandos. Ein weiteres Viertel war aus dem Stalag VI K in der Senne, das speziell für sowjetische Kriegsgefangene errichtet worden war. Aus den Lagern brachte man die Gefangenen in das Stalag VI A und nach wenigen Tagen auf die Zeche Kaiserstuhl.

Die 10 Männer der Bildergalerie kamen mit einer größeren Gruppe am 11. November aus dem Stalag VI K Senne im Stalag VI A Hemer an. Bereits am 16. November wurden sie an die Zeche Kaiserstuhl geleifert.

Alexander Kolesin wurde im Jahr 1921 im Gebiet Jaroslawl geboren, von Beruf war er Müller. Am 25.9.1941 geriet er bei Dnperpetrowsk in deutsche Kriegsgefangenschaft

Alexej Garan
wurde im Jahr 1918 im Gebiet Nikolajew geboren. Von Beruf war er Techniker. Im Mai 1942 geriet er bei Charkow in deutsche Kriegsgefangenschaft

Sergej Iwanschenko wurde im Jahr 1924 auf der Krim geboren. Er war Schüler. Am 8. Juli 1942 geriet er bei Woroschilowgrad, dem heutigen Lugansk, in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Grigori Skorochod wurde im Jahr 1901 im Gebiet Rostow geboren. Er arbeitete in der Landwirtschaft und war verheiratet. Im Juni 1942 geriet er bei Sewastopol in deutsche Kriegsgefangenschaft

Boris Ippolitiow wurde im Jahr 1919 in Leningrad geboren. Von Beruf war er Tischler. Am 19.5.1942 geriet er auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Pawel Dobrij
wurde im Jahr 1910 im Gebiet Smolensk geboren. Er war verheiratet und von Beruf Schuhmacher. Am 29.9.1941 geriet er auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft

Nikolaj Eskow wurde im Jahr 1923 im Gebiet Kursk geboren. Von Beruf war er Handwerker. Am 16. Juni 1942 geriet er bei Charkow in deutsche Kriegsgefangenschaft

Efim Petrow
wurde 1910 im Gebiet Nikolajew geboren. Er war verheiratet und von Beruf Tischler. Im Juli 1942 geriet er bei Sewastopol  in deutsche Kriegsgefangenschaft

Pawel Maltschenko wurde im Jahr 1918 im Gebiet Nikolajew geboren. Er war in der Landwirtschaft tätig. Am 4.7.1942 geriet er bei Sewastopol in deutsche Kriegsgefangenschaft

Dmitrij Borisenko wurde 24.10.1925 in Mogilew geboren. Er war Schüler. Am 24.9.1941 geriet er bei Melitopol (Ukrainische SR) in deutsche Kriegsgefangenschaft

Die 10 Männer des Arbeitskommandos 607 R Zeche Kaiserstuhl starben am 5. Mai 1943 mit 184 weiteren sowjetischen Kriegsgefangenen bei dem schweren Bombenangriff auf den Dortmunder Norden.

80 Jahren sind vergangen, jetzt erst sagen wir – WE REMEMBER