Ein Besuch auf dem Waldfriedhof in Wanne-Eickel

Jugendliche und Kinder von russischsprachigen Eltern baten den Historische Verein Ar.kod.M um eine Führung auf dem „sowjetischen Feld“ des Friedhofs Wanne-Eickel. Sie hatten festgestellt, dass in der Schule nicht über das Schicksal sowjetischer Kriegsopfer gesprochen wird, deshalb wollten sie mehr über das Schicksal dieser Menschen, die während des zweiten Weltkrieges im Ruhrgebiet ihr Leben verloren haben, erfahren und über die Kriegsverbrechen der Nazis in der Region.

So trafen sich an einem Samstagmorgen um 9.00 Uhr am Eingang zum Waldfriedhof etwa 10 junge Menschen und ihre Eltern mit dem Vorsitzenden des Historischen Vereins Ar.kod. M, Dmitriy Kostovarov. Dass die Jugendlichen bereit waren so früh am Samstag von zuhause aufzubrechen und an dem Rundgang teilzunehmen, zeigt ihr großes Interesse an diesem Thema.

Um zum Ehrenfeld der sowjetische Kriegsopfer zu gelangen, musste die Gruppe den Friedhof durchqueren, denn das Gräberfeld der sowjetischen Kriegsopfer ist, wie auf allen Friedhöfen, am Rand. Auf dem Gräberfeld befinden sich zahlreiche flache Grabsteine, sog. Grabkissen. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs wurden hier 1113 sowjetische Bürger*innen begraben. Heute sind 1266 Namen bekannt, denn nach dem Krieg gab es noch Umbettung von nahegelegenen Friedhöfen. Das Gräberfeld ist in zwei Bereiche unterteilt. Auf dem größeren sind sowjetische Kriegsgefangenen begraben und auf dem kleineren Zivilarbeiter*innen und ihre Kinder. Die Menschen, Kriegsgefangene wie Zivilarbeiter*innen, wurden zur Zwangsarbeit ins Ruhrgebiet verschleppt. Viele kamen ums Leben, weil die Lebens- und Arbeitsbedingungen für sie so hart waren. Viele wurden namenlos begraben. Gab es Namensschilder oder Kreuze auf den Gräbern, so wurden sie oft in der Nachkriegszeit beseitigt.

Die Stadt Herne, mit der Wanne-Eickel seit Januar 1975 zusammengeschlossen ist, hat jedoch dafür gesorgt, dass dieser Ort würdig gestaltet ist. Auf den Gräbern befinden sich Grabsteine mit den Namen der Verstorbenen. Auf diesem Friedhof wird nicht nur der deutsche Kriegsopfer namentlich gedacht, sondern auch der sowjetischen, die andernorts oftmals namenlos bleiben. Dieser Friedhof ist deshalb ein gutes Beispiel für die würdige Gestaltung von Gräbern sowjetischer Kriegsopfer.

Um die namentliche Erinnerung bemüht sich auch ein Projekt das Schulen gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge durchführen, berichtete Dmitriy Kostovarov. Die Schüler*innen forschen nach Namen sowjetischer Kriegsopfer und erstellen Tonziegel mit den Namen der Verstorbenen. Diese Tonziegel werden als Ziegelstelen oder -tafeln auf den jeweiligen Friedhöfen aufgestellt.

Die Jugendlichen waren überrascht, welche Recherchemöglichkeiten es gibt und wie viele Originaldokumente in den verschiedenen Archiven heute zugänglich sind. Der Historische Verein Ar.kod.M hat in den vergangenen Jahren viele umfangreiche Recherchen durchgeführt. Er hat zudem Familien aus der ehemaligen Sowjetunion dabei geholfen ihre während des 2. Weltkriegs im Ruhrgebiet ums Leben gekommene Angehörige zu finden und die Familien beim Besuch des Grabes unterstützt und begleitet.

Der Rundgang hat das Interesse der Jugendlichen geweckt, bei einem kleinen Picknick verabredeten sie ein weiteres Treffen.