Gedenken am Karfreitag 2021

Mit einer Gedenkstunde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund erinnerte der Historische Verein Ar.kod.M e.V.,  gemeinsam mit dem Förderverein Gedenkstätte Steinwache-Internationales Rombergpark Komitee und der VVN-BdA,  an die Menschen, die in Dortmund Zwangsarbeit leisten mussten und hier ums Leben gebracht wurden. Wegen der Corona-Pandemie fand das Gedenken in kleinem Kreis statt.

Ar.kod M gedachte mit 2 Transparenten der sowjetischen Kriegsopfer.  Die Transparente tragen die Namen und Portraits von 12 sowjetischen Kriegsgefangenen, die auf dem Internationalen Friedhof begraben sind. Die meisten sowjetischen Kriegsopfer wurden anonym begraben. Inzwischen ist es gelungen 4473 Namen zu ermitteln. Wie viele sowjetische Kriegsopfer tatsächlich auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg begraben sind, ist bis heute unbekannt.

Auch das alljährliche Gedenken in der Bittermark fand in diesem Jahr in kleinem Kreis statt.  In der Bittermark und im Rombergpark wurden in den letzten Tages des Krieges mehr als 300 Menschen grausam ermordet. Sehr viele waren Menschen aus der Sowjetunion, die in Dortmund und Umgebung Zwangsarbeit leisten mussten. Ihnen fehlte es an Nahrung, Kleidung und medizinischer Versorgung, sie waren zudem rassistischer Verfolgung ausgesetzt. Bereits kleinste Vergehen wurden mit dem Tode bestraft. Die Namen der sowjetischen Opfer  sind bis heute nicht bekannt. Die Listen der Gestapo verzeichnen aber mehr als 80 Namen von sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter*innen, die im Frühjahr 1945 den Vermerk entlassen tragen. Dieser  Vermerk war ein Todesurteil.   

Ar.kod M e.V. erinnerte mit einer Kranzniederlegung und einem Transparent  an die Ermordeten  der Bittermark.

Tag des Erinnerns

Der Tag des „Unbekannten Soldaten“ wird in Russland und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion 3. Dezember gegangen. An diesem Tag erinnert man sich an die Menschen, die für Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimat gefallen sind, deren Todesumstände aber unbekannt sind.
Dass es sich nicht um ein Gedenken fremder Menschen in einem fernen Land handelt, das uns nichts angeht, wird deutlich, wenn wir den Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund besuchen. Die sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Stalag VI D an der Westfalenhalle ums Leben gebracht wurden, begrub man hier namenlos. Den Familien war das Schicksal und die Todesumstände der Verstorbenen für Jahrzehnte nicht bekannt.

I

Inzwischen ist es dem historischen Vereins Ar.kod.M gelungen, etwa 2500 Namen von sowjetischen Bürger*innen zu ermitteln, die auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund begraben sind. Anlässlich des Gedenktags brachte der historische Verein 3 Tafeln dort an. Sie zeigen das Portrait und den Namen von sowjetischen Kriegsgefangenen, die auf diesem Friedhof begraben sind. Der Verein will so 3 Menschen einen Name und ein Gesicht geben, beispielhaft für die Tausenden Toten, die hier liegen und an die weder ein Kreuz noch eine persönliche Inschrift erinnert.

Pawlowskij, Alexej Grigorjewitsch

wurde am 18.10.1909 in Kursk geboren. Sein letzter Wohnort war im Gebiet Woronesch im Dorf Nikolaewka, von Beruf war er Schlosser.
Am 11.06.1942 geriet er im Gebiet Orel in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Er wurde im Stalag (Stammlager) VI-K, Stukenbrock-Senne, registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 111009. Man brachte ihn von dort in das Stalag VI D nach Dortmund, dann nach Hemer in das Stalag VI A und schließlich in das Arbeitskommando 470/2250 Lager Langenruthe, Kalkwerke Letmathe.
Am 10.11.43 floh er, wurde aufgegriffen und in das Arbeitskommando 754 Dorstfeld, ein Straflager, gebracht. Bei einem erneuten Fluchtversuch am 22.12.1943  wurde er erschossen und am 23.12.1943 auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 3 beerdigt. Er war 34 Jahre alt

Samusew, Grigorij Wasiljewitsch

wurde am 03.02.1922 in Smolensk geboren. Sein letzter Wohnort war im Gebiet Smolenskaja, im Dorf Schewantino, er arbeitete in der Landwirtschaft.
Im Oktober 1941 geriet er bei Kiew in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er war verwundet.

Er wurde im Stalag  VI-K, Stukenbrock-Senne, registriert und erhielt der Erkennungsmarkennummer 135357. Man brachte ihn Ende September 1943 in das Stalag VI-A nach Hemer und von dort zur Arbeit in das Arbeitskommando 762, Zeche Ickern (Castrop-Rauxel, Waltrop). Am 5.01.1944 kam er in das Lagerlazarett. Am 26.01.1944 nach Bocholt in das Stalag VI-F, einen Monat später nach Dortmund in das Stalag VI-D an der Westfalenhalle und von dort in das Arbeitskommando 3056 in Dortmund Eving. Am 25.03.1944 starb er und wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund auf Feld 7 begraben. Er war 22 Jahre alt.

Kolbin, Daniil Romanowitsch

wurde 1904 im Gebiet Kirow, im Dorf Tschura geboren. Sein letzter Wohnort war auf der Krim im Gebiet Feodosija, im Dorf Koktebel. Er war verheiratet und hatte 2 Kinder.

Wann er in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet ist nicht bekannt, ebenso sein Weg durch die Lager und die Umstände seines Todes. Gestorben ist er am 13.01.1945. Er wurde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund auf Feld 8 begraben. Er war 41 Jahre alt.

Gedenken zum Volkstrauertag auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund

Der Historische Verein Ar.kod.M und der Förderverein Gedenkstätte Steinwache-Internationales Romberg-Park-Komitee erinnerten anlässlich des Volkstrauertages mit einem Gedenken auf dem Internationalen Friedhof an die polnischen, serbischen und sowjetischen Kriegsopfer, die dort begraben sind. Diese Kriegsopfer mussten in Dortmund Zwangsarbeit leisten und kamen hier zu Tode. Tausende sowjetische Kriegsgefangene wurden auf dem Internationalen Friedhof anonym begraben. Ein Banner mit 12 Portraits sollte einigen dieser Menschen ein Gesicht und einen Name geben.

Gedenkstunde des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock

Am ersten Samstag im September findet in Stukenbrock auf dem Friedhof des ehemaligen Stalag VI K die alljährliche Gedenkstunde des Arbeitskreises Blumen für Stuckenbrock statt.

Das Stalag (Mannschaftsstammlager) VI K in der Senne wurde im Frühjahr 1941 errichtet. Ab dem Sommer 1941 wurden sowjetische Kriegsgefangene hier hergebracht. Damals bestand das Lager nur aus einer Stacheldrahtumzäunung. Tausende Kriegsgefangene kamen in den ersten Monaten um, weil es an Allem fehlte. Sie hatten keine Behausung, kein Baumaterial für Unterkünfte, kein Essen und keine medizinische Versorgung. Sie waren Repressionen ausgesetzt bis hin zu willkürlichen Erschießungen. Als der Bedarf an Arbeitskräfte im Deutschen Reich stieg, wurden die Kriegsgefangenen hier gesammelt, registriert und zum Arbeitseinsatz ins Ruhrgebiet und in den Westen Deutschlands auf die Zechen, in die Stahlwerke und in die Rüstungsindustrie gebraucht.


Der Arbeitskreis führt diese Gedenkstunde bereits seit 1967 durch und erinnert an die Leiden und das Sterben tausender Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. In den Anfangsjahren erlebte dieses Gedenken viele Anfeindungen.
In diesem Jahr sprach Eugen Drewermann zu 50 Menschen, die trotz Corona-Beschränkungen gekommen war. Bereits in früheren Beiträgen hatte er über das Verbrechen der Wehrmacht an Millionen Rotarmisten, die in deutscher Kriegsgefangenschaft an Hunger und fehlender Versorgung zugrunde gingen, gesprochen. In seiner beeindruckenden Ansprache während der Gedenkstunde kritisierte er die aktuelle Politik der Bundesregierung, die nichts für eine friedliche Politik mit Russland tut. Er erinnerte, an die lange gemeinsame Geschichte und die reiche Kultur, die Deutsche und Russen verbindet, und forderte eine Politik des Friedens mit Russland.

Mahnmal zur Zwangsarbeit am Phönix-See eröffnet – weitere Erinnerungsort müssen folgen

Seit neuestem erinnert in Dortmund ein Mahnmal an die Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs hierher verschleppt wurden und Zwangsarbeit leisten mussten.

Mahnmal zur Erinnerung an die Zwangsarbeit in Dortmund

Millionen Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt

Während des Zweiten Weltkriegs wurden mehr als 13 Millionen Menschen aus ganz Europa ins Deutsche Reich verschleppt, um Zwangsarbeit zu verrichten. Darunter waren insgesamt 4 Millionen Kriegsgefangene aus ganz Europa und 5 Millionen Zivilarbeiter*innen aus der Polen, der Sowjetunion und anderen Staaten Osteuropas. Es waren sehr oft junge Frauen, Jugendliche, Mädchen und Jungen. Viele Kriegsgefangene und Zivilarbeiter*innen kamen ins Rheinland und nach Westfalen zum Arbeitseinsatz. Die Forderung nach Arbeitskräften für die Stahlwerke, die Zechen und die Rüstungsindustrie des Ruhrgebiets war enorm, denn durch die zunehmende Einberufung von Männern zur Wehrmacht herrschte Arbeitskräftemangel. Nicht nur große Betriebe, sondern auch private Haushalte, landwirtschaftliche Betriebe und Handwerksbetriebe konnten Arbeitskräfte aus zentralen Lagern bei den zuständigen Arbeitsämtern beantragen. Die Arbeitsbedingungen waren für die Menschen, die zu dieser Zwangsarbeit verschleppt wurden, sehr oft hart und die Versorgung mit allem Lebensnotwendigen mangelhaft, zudem waren Demütigungen und Bestrafungen an der Tagesordnung. Zivilarbeiter*innen, die Widerstand leisteten und sich den unerträglichen Arbeitsbedingungen widersetzten, wurden in Arbeitserziehungslagern inhaftiert.

Zwangsarbeit in Dortmund

In Dortmund mussten fast 80.000 Männer und Frauen Zwangsarbeit verrichten. Sie schufteten in mehr als 300 Arbeitskommandos und waren meistens in umzäunten Lagern, die sich auf dem Werksgelände der Zeche, des Stahlwerks oder des Rüstungsbetriebs befanden, untergebracht. Auf den Dortmunder Zechen bestand die Belegschaft zu fast
40 % aus Menschen, die Zwangsarbeit leisten mussten. Der Dortmund Hörder Hüttenverein (DHHV) gab 1945 gegenüber den Alliierten an, dass ihm 13.000 Arbeitskarten von Zivilarbeiter*innen vorliegen. Wie viele Menschen tatsächlich dort Zwangsarbeit verrichten mussten ist bisher unbekannt. Berücksichtigt man die Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge, dürften es deutlich mehr als die genannten 13.000 gewesen sein.

Auch in Dortmund wurden Zivilarbeiter*innen, die Widerstand leisteten und sich den unerträglichen Arbeitsbedingungen widersetzten, in Arbeitserziehungslagern die „KZ der Gestapo“, inhaftiert. Lagerleiter und Wachmannschaften stellte in der Regel die Gestapo. Gegen Kriegsende gab es ca. 200 Arbeitserziehungslager im Deutschen Reich. Die Arbeitserziehungslager dienten zunächst dazu deutsche Arbeiter*innen zu disziplinieren, später wurden dort hauptsächlich osteuropäische Zivilarbeiter*innen, die sich der Dienstverpflichtung widersetzt hatten, inhaftiert. Insgesamt waren zwischen 1939 und 1945 ca. eine halbe Million Menschen in Arbeitserziehungslagern inhaftiert.

Auf dem Werksgelände am ehemaligen Emschertor/Hermannstraße befand sich während des Zweiten Weltkrieges auf Wunsch der Konzernleitung auch ein solches Lager der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). inhaftiert. Im März 1945 waren in diesem Lager unterschiedlicher Gruppen von Gestapo-Häftlingen inhaftiert, von denen viele von hier aus in den Rombergpark und Bittermark gebracht und dort kurz vor Kriegsende ermordet wurden.

Der lange Weg zur Erinnerung an die Zwangsarbeit in Dortmund

Trotz der großen Zahl von Menschen, die während des Kriegs zur Zwangsarbeit nach Dortmund verschleppt wurden, erinnerte auch viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur sehr wenig an deren tragisches Schicksal. 2002 beantragte die VVN-BdA deshalb am ehemaligen Emschertor/Hermannstraße eine Gedenktafel anzubringen, um an das Lager und seine Insassen, aber auch an die Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die in ganz Dortmund Zwangsarbeit verrichten mussten, zu erinnern. Die VVN-BdA beklagte, dass diesem großen öffentlichen Verbrechen der Nationalsozialisten in Dortmund nicht in adäquater Weise gedacht werde. „Für die Stadt Dortmund, die derartig intensiv darin verwickelt ist, die aber zugleich der Verbrechen der Nationalsozialisten vielfältig gedenkt, ist es von besonderer Bedeutung, auch diesem Verbrechen im öffentlichen Raum würdig zu gedenken“.

Studierende des Fachbereichs Architektur an der Fachhochschule Dortmund lieferten 2014 Entwürfe für ein Mahnmal. Ausgewählt wurde eine 4 Meter hohe, begehbare, quaderförmige Skulptur aus Stahlblech, ein Entwurf von Pia Emde. Doch bis zur Umsetzung des Projekts sollte es noch Jahre dauern. Viel wurde über den Standort des Mahnmals diskutiert, bis schließlich der Rat der Stadt im Frühjahr 2019 den Beschluss fasste das Mahnmal auf der Kulturinsel im Phönix-See zu erreichten. Bei der Einweihung am 10. August 2020 war viel Prominenz aus der Stadtgesellschaft gekommen. Mit dem Denkmal will die Stadtgesellschaft, nach den Worten des Oberbürgermeisters, ein Zeichen gegen Rassismus, Chauvinismus und rechtes Gedankengut setzen. Ein Transparent am Eingang der Veranstaltung zeigte die Namen der nach Riga verschleppten jüdischen Mitbürger*innnen aus Dortmund. Es ist richtig, dass an diesen Opfern erinnert wird und ihnen mit dem Transparent die Namen zurückgegeben werden. Erfreulich ist auch, dass mit dem Mahnmal am Phoenix-See ein Erinnerungsort für die vielen Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die nach Dortmund zur Zwangsarbeit verschleppt wurden, geschaffen wurde.

Weitere Erinnerungsorte in Dortmund schaffen

Diese Menschen haben während des 2. Weltkriegs mit den Dortmunder*innen gearbeitet. Das rassistische Programm der Nazis gab die Rechtfertigung für ihre rigorose Ausbeutung und Verfolgung. Viele sind an den unmenschlichen Lebensarbeits- und Arbeitsbedingungen gestorben oder ermordet worden, weil sie sich diesen Bedingungen widersetzt haben. Angesichts der großen Zahl von Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen aus ganz Europa konnte ihr Schicksal den Dortmunder*innen nicht verborgen bleiben.

Bis heute gibt es in Dortmund zahlreiche Orte, die für das Leben und Leiden der Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen stehen, die aber nicht im Bewußtsein der Stadtgesellschaft und den Dortmunder Bürger*innen sind. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf; deshalb wäre es an der Zeit, denen die aufgrund der unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager an der Westfalenhalle umgekommen sind und auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg anonym begraben wurden, ebenfalls ihre Namen zurückzugeben. Seit langem ist ein Projekt dazu geplant, es muss nun endlich umgesetzt werden.

Unsere Suchaktion wird fortgesetzt

Zum diesjährigen Gedenken an Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion, am 22 Juni 1941, kamen mehrere Organisationen in Siegburg auf dem Südfriedhof zusammen. Für diese Veranstaltung wird dort jedes Jahr etwas Besonderes geplant, so auch in diesem.

Die Stadt Siegburg hat, wie viele andere Städte auch, mehrere Grabstätten sowjetischer Bürger. Auf dem Südfriedhof gibt es einige Felder mit „russischen“ Gräbern. Wir wurden von einer Partnerorganisation eingeladen gemeinsam den Nachlass eines Siegburgers für weitere Recherchen zu übernehmen. Die Witwe und die Tochter des Verstorbenen, die selbst keine Recherchen anstellen wollten, haben das Archiv im Rahmen der Veranstaltung an Interessierte übergeben.

„Wie so oft, wurde das Gräberfeld von einem unserer Landsleute zufällig entdeckt. Zahlreiche alte Grabsteine befanden sich auf dem Friedhof, die einen verwahrlosten Eindruck machten“, so berichtete die Ehefrau. Aber dieser Zustand und die verwitterte Schrift auf den Grabsteinen war auch hier der Grund für Nachforschungen. Mehrere Jahre hat sich der Familienvater mit der Instandsetzung der Grabsteine und der Suche nach den Namen der Verstorbenen beschäftigt. Selbst als er schon im Rollstuhl saß, hat er die Inschriften auf den Grabsteinen ausgebessert. In Archiven fand er viele Dokumente und er machte einige Familienangehörige der Verstorbenen ausfindig. Trotz vieler Erfolge ist es ihm nicht gelungen alle Informationen zusammenzutragen und die Grabstätte bei der Stadt Siegburg und bei der Botschaft der Russischen Föderation registrieren zu lassen.

Und doch ergab sich ein Gegensatz zwischen dem Charakter der Veranstaltung auf dem Südfriedhof und ihrem traurigen Anlass, dem Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Dieser Vernichtungskrieg kostete 27 Millionen sowjetische Bürgerinnen und Bürger das Leben. Mehr als 100 von ihnen liegen in Siegburg auf dem Südfriedhof.

Unter Tränen und mit großer Ergriffenheit übergab die Ehefrau alle Papiere an die eingeladenen Organisationen. Wir versprachen weitere Suchaktionen.

Bei Durchsicht der Dokumente stellten wir fest, dass sich darunter auch einige „weiße Listen“ mit mehreren Anmerkungen aus dem Archiv der Stadt Siegburg befanden. Die „weiße Liste“ ist ein Registrierungspapier für Grabstätten von Kriegsopfern, das in der Nachkriegszeit vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erstellt wurde.
Die Bearbeitung der Unterlagen zeigte Unerfahrenheit im Umgang mit Dokumenten. Die Liste enthielt für jeden Namen eine sehr wichtige Information, der bisher nicht nachgegangen wurde. Hinter fast allen Namen war eine Erkennungsmarken-Nummer vermerkt. Bei ihrer Registrierung in den Lagern erhielten die Kriegsgefangenen eine Erkennungsmarke mit einer Nummer. Diese Nummer ersetzte für immer alle persönlichen Daten, wie z.B. den Namen. Die Erkennungsmarke musste immer am Körper getragen werden. Über eine solche Nummer kann man in der Datenbank bei OBD-Memorial unmittelbar auf die persönlichen Daten des Verstorbenen zu greifen. Eine weitere wichtige Information fehlte – der Vatername. So haben wir weitere Recherchen angestellt.

Zwar konnte keine vollständige Namensliste mit Korrektur der Namen erstellt werden, aber es war möglich zehn „Unbekannten“ Name zu geben. Jetzt können 110 Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs und 12 Opfer des Ersten Weltkriegs ordentlich registriert werden. Vielleicht wird in Zukunft eine neue Stele mit den vollständigen Namen einen Platz auf diesem Friedhof findet. Dazu wäre aber der politische Wille der russischen und deutschen Seiten erforderlich.

Sehr symbolisch ist, dass sich das Grab des Urhebers der Suche in der Nähe dieses Feld befindet.

Gegen das Vergessen – Mahn- und Gedenkveranstaltung am 22. Juni an der Westfalenhalle in Dortmund

Für viele Menschen ist die Westfalenhalle in Dortmund mit schönen Erinnerungen an bewegende Konzerte, an spannende Sportereignisse, an interessante politische Veranstaltungen und begegnungsreiche Messen verbunden. Wir sollten aber niemals vergessen, dass dieser Ort für viele Menschen eine ganz andere Bedeutung hatte. Er war ein Ort des Leides und der Not. Ein Ort wo „manche Brust ein Seufzer dehnet, will wir hier gefangen sind“, wie das Moorsoldaten Lied sagt. Und mehr noch, für tausende Menschen war es ein Sterbeort. Im Dortmunder Stadtarchiv befindet sich das Totenbuch für sowjetische Kriegsgefangene mit mehr als 3000 Einträgen über Todesfälle aus dem Stalag VI D an der Westfalenhalle.
Von 1939 bis Anfang 1945 war an und in der Westfalenhalle ein großes Kriegsgefangenenlager. Mehr als 340.000 Menschen durchliefen das Lager, sie wurden zur Zwangsarbeit in Dortmunder Betrieben und im gesamten Umland, im Münsterland und im Sauerland, eingesetzt. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen war besonders schwer.

Stalag VI D an der Westfalenhallen, die Gebäude des Lagers für sowjetische Kriegsgefangene sind rot eingezeichnet. Die heutigen der Gebäude auf dem Messegelände und die Westfalenhalle sind grau eingezeichnet

Als Nazideutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, war für die Naziführung und die Wehrmacht schon klar, dass es sich um einen Vernichtungskrieg handelte. Mit dem Barbarossoerlass wurde die Zivilbevölkerung zu Opfern dieses Vernichtungskriegs. Außerdem galt für die sowjetischen Kriegsgefangenen „der Kommunist ist kein Kamerad“. Die Wehrmacht rückte von Standpunkt des „soldatischen Kameradentums“ ab und setzte sich über Internationales Recht hinweg. Von 5 Mio sowjetischen Kriegsgefangenen kamen 3 Mio in deutscher Kriegsgefangenschaft um. Das ist eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht und Nazideutschlands.

Ein Schauplatz dieses Verbrechens war das heutige Messegelände rund um die Westfalenhalle, es geschah vor den Augen der Dortmunder*innen.

Bei allen schönen Erinnerungen an diesen Ort verbinden, sollte das niemals vergessen werden.
Gegen das Vergessen hatten der Förderverein Gedenkstätte Steinwache- Internationales Rombergpark Komitee, die Botschafter*innen der Erinnerung und der Historische Verein Ar.kod.M zu einer Mahn- und Gedenkstunde am 22. Juni eingeladen.

Kranzniederlegung durch Russisches Generalkonsulat auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg

Anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus hat das Russische Generalkonsulat, vertreten durch den stellv. Generalkonsul Wladimir Kuzmin, auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund ein Blumengebinde niedergelegt. In einer kurzen Ansprache betonte er wie wichtig dem Russischen Generalkonsulat gerade an diesem Tag der Besuch dieses Gedenkortes in Dortmund ist.

Gedenken in der Bittermark – Karfreitag 2020

Ein tragisches Kapitel in der Geschichte der Stadt Dortmund sind die Ereignisse in der Bittermark im Frühjahr 1945. Gemeint ist das grausame Verbrechen der Nazis in den letzten Kriegstagen.

Bis heute ist nicht bekannt wie viele Menschen in der Bittermark und im Rombergpark ermordet wurden. Dennoch sind viele Namen von deutschen und französischen Opfern bekannt, da ihre Angehörigen in der Nachkriegszeit nach ihnen gesucht haben. Diese Möglichkeit gab es für Angehörige aus Osteuropa und Sowjetunion nicht.
Eine Identifizierung war unmöglich, den Ermordeten wurden Papiere, Erkennungsmarken oder andere privaten Gegenstände vor der Ermordung abgenommen. Sie sollten für immer anonym bleiben. Das gehörte zum rassistischen Programm der Nazis.


Da die Beweislage schlecht ist, haben wir die verfügbaren Dokumente auf eine andere Art untersucht. Was haben alle genannten Namen gemeinsam? Unsere Ergebnisse zeigen, die Ermordeten wurden aus „politischen“ oder „wirtschaftlichen“ Gründen verhaftet und zu einer Gestapostelle gebracht. Das Wichtigste aber ist, dass alle diese Namen den Vermerk „entlassen“ oder „von der Gestapo entlassen“ tragen. Die Gestapo hat diese Menschen nicht frei gelassen. Dieser Vermerk war für die Inhaftierten das Todesurteil. Die Gestapo-Akten zeigen, dass auch sowjetische Bürger *innen in den letzten Monaten mit der Begründung „politisch“ oder „Arbeitsverweigerung“ in Gestapo – Haft genommen wurden. Und mindestens 98 von ihnen haben den Vermerk „entlassen“.

Dazu gehörten:
Tscherepanow, Anton Andreewitsch, letzte Meldung 02.03.1945,
letzter Nachweis: von Gestapo abgeholt

Kamalow Michael Jakupwaliewitsch, letzte Meldung 19.03.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen

Wynetzki Iwan Egorowitsch, letzte Meldung 27.03.1945,
letzter Nachweis: durch Gestapo entlassen

Haew, Iwan Petrowitsch, letzte Meldung 27.03.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen

Issajew, Anwar Hassanowitsch, letzte Meldung 01.04.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen

Seizew, Wladimir Iwanowitsch, letzte Meldung 01.04.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen

Litwin, Trofim Efimowitsch, letzte Meldung 01.04.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen

Grebenjuk, Anton Kirillowitsch, letzte Meldung 01.04.1945,
letzter Nachweis: 4 K entlassen


Land der grünen Schilder

Für die Tätigkeit des historischen Vereins Ar.kod.M e.V. ist es wichtig zu wissen, wie Erinnerungsarbeit in anderen Städten und Bundesländern aussieht. So habe ich meine Freunde in Hamburg und Umgebung besucht. Zu meinem Programm gehörten Fahrten zu Gedenkstätten im ehemaligen Wehrkreis X. Die Wehrkreise waren Verwaltungseinheiten der Wehrmacht, insgesamt gab es 18 Wehrkreise in Deutschland und Österreich. Zum Wehrkreis X gehörte Hamburg, die gesamte Nordseeküste und die nordwestliche Ostseeküste bis Lübeck sowie das Hinterland.

Bereits auf der Fahrt zu den Gedenkstätten habe ich die vielen Schilder bemerkt, die auf die Erinnerungsorte und Friedhöfe hinwiesen. Die grünen Schilder tragen drei Kreuze, das Logo des Volksbundes Deutschen Kriegsgräberfürsorge e.V.

Den Besucher*innen zeigen Hinweisschilder am Straßenrand den Weg zu den Außenlagern der KZs und den Friedhöfe. Schon auf der Straße werden die Autofahrer*innen darauf hingewiesen, wie weit es vom jeweiligen Ortskern oder vom Parkplatz zum Erinnerungsort ist.

Nach dem Besuch der Gedenkstätten hatte ich den Gedanken „wie groß ist doch die Zahl solcher Erinnerungsorte in Norddeutschland“. Haben die Nazis im Norden Deutschlands noch brutaler geherrscht als an anderen Orten? Eine Karte in der Ausstellung des KZs Neuengamme weist eine vergleichbare Dichte von Arbeitskommandos und kleinen Lagern auf wie in ganzem Deutschen Reich. Aber in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zeigen die Verantwortlichen an zahlreichen Erinnerungsorten das ganze Ausmaß der Naziverbrechen. Auf allen Friedhöfen, auf denen Kriegsopfern begraben sind, werden die Grabplatten und die Stelen mit den Namen der Verstorbenen ständig erweitert, wenn weitere Namen durch neue Forschungsergebnisse vorliegen. Bei der Verwaltung der Friedhöfe liegen Dokument und Sterbebücher. Sie sind für Interessierte zugänglich. Die Namen der Menschen, die eingeäschert wurden, sind auf Gedenktafeln der Lager eingetragen. In den Gedenkstätten werden in Schaukästen die Forschungsarbeiten von Schülerinnen und Schülern gezeigt. Die Gedenkstätten werden auch bei schlechtem Wetter gut besucht.

Lässt sich daraus schließen, dass die Verantwortlichen im Norden Deutschlands ein größeres Interesse und mehr Mut haben, die Verbrechen der Nazis zu thematisieren?