Holzen – die schwierige Suche nach der Identität

Im Juni 2014 fand auf dem Friedhof in Holzen eine Begehung durch die Botschaft der Russischen Föderation, das Friedhofsamt Dortmund und den Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. statt. Geprüft werden sollte der Zustand der Gräber von sowjetischen Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen. Auf dem Friedhof befanden sich zwei separate Felder mit Gräbern und ein kleines Denkmal mit einer Inschrift in russischer Sprache „Hier ruhen 39 sowjetische Bürger, die von 1941 bis 1945 unter dem faschistischen Terror gelitten haben. Im ewigen Gedenken an die teuren Genossen“.
Im Friedhofsamt gab es eine Namensliste mit 39 Einträgen. 24 Einträge waren mit Namen versehen, bei allen anderen stand „unbekannt“. Viele Namen auf der Liste waren aber offensichtlich falsch geschrieben. Für eine erfolgreiche Suche der Familien nach ihren Angehörigen ist die richtige Schreibweise des Namens von entscheidender Bedeutung. Die Familien finden ihren Angehörigen nicht in den Datenbanken, wenn der Name falsch geschrieben ist. Die Namen, die erkennbar nicht der russischen Schreibweise entsprachen, wurden daher korrigiert. Bei der Arbeit mit historischen Dokumenten ist die Korrektur der Namen sehr problematisch, deshalb war es erforderlich jeden Namen mehrmals zu überprüfen. Um die Namen, die erkennbar nicht der russischen Schreibweise entsprechen zu korrigieren, müssen sie zunächst in kyrillische Buchstaben übertragen und in verschiedenen Schreibweisen in die Datenbank bei OBD Memorial eingegeben werden. Aufgrund dieser Anfragen erscheinen tausende Dokumente, die nach weiterführenden Details durchgesehen werden müssen.
Nach der Korrektur wurde aus Wasin Wafin, aus Irischa Irina, aus Borowsj Senien wurde Borowskij Semjon, aus Wernawa Warwara, aus Ratja Katerina, aus Sejey Sergej, aus Schapowalon wurde Schapowalow.
Alle Angaben müssen dann nochmals anhand von verfügbaren Dokumenten aus Archiven der Roten Armee überprüft werden.

Bei einigen Opfern waren in der Liste Informationen, z.B. eine Erkennungsmarkennummer, eingetragen. Erstaunlicherweise fehlte aber der Name und der Vorname. Zudem war bei mehreren Verstorbenen in Holzen als Sterbedatum das Jahr 1945 und die selbe Erkennungsmarkennummer angegeben. Das war falsch. Die deutschen Behörden, z.B. Kommunen oder die Wehrmacht, haben in ihren Dienststellen separat Dokumente geführt. Informationen, die in der Liste der Stadt nicht vermerkt wurden, sind möglicherweise in den Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle enthalten. Viele dieser Dokumente und Papiere sind heute bei OBD-Memorial zugänglich.
Für die meisten Kriegsgefangenen gibt es eine Personalkarte 1. Durch diese Personalkarte kann ihr Weg durch die Lager und ihr Schicksal verfolgt werden. Dank der Personalkarte 1 sind zusätzliche Informationen über die Opfer einfacher zu recherchieren. Für die Suche nach den Namen der Verstorben wurden zunächst die Erkennungsmarkennummern (EM-Nummern) aus der Namensliste des Friedhofsamts in der Datenbank von OBD-Memorial überprüft. Bei seiner Registrierung erhielt jeder Kriegsgefangenen eine Erkennungsmarke mit einer Nummer. In den verschiedenen Lagern wurde zwar gleiche Erkennungsmarkennummern vergeben, fast fortlaufende EM-Nummern lassen aber darauf schließen, dass die Verstorbenen alle im gleichen Lager und fast zeitgleich registriert wurden. Nach Eingabe der Erkennungsmarkennummern erschienen einige Personalkarten. Neben den Namen lieferten sie weitere Information, zum Beispiel das Arbeitskommando, in dem die Verstorbenen zuletzt gearbeitet hatten.

Nr. Name Erkenn.-
MarkenNr.
Name der Unbekannten
1  Wafin, Abdurachmann    
2 Akupo, Anatoli    
5 Artemjew, Irina    
3 Artemjew, Wassily    
4 Artonowitsch, Al.    
6 Borowskij, Semjon    
7 Dubkuwna, Anna    
8 Hawenko, Polina    
9 Liwara, Jan    
10 Netschepurenko, Fedosia    
11 Onoptschenko, Iwan    
12 Perehin, Katharina    
13 Peschko, Nikolei    
14 Pochlerne, Warwara    
15 Polochowitsch, Jakow    
16 Rusmin, Wasily    
17 Sakun, Katja    
18 Salnikowa, Natalja    
19 Schapowalow, Anna    
20 Schinkawenko, Luba    
21 Seluk, Wera    
22 Semag, Andreas    
23 Usenko, Boris    
24 Wolkow, Sergej    
25 unbekannt 80158 Shidenko,
Iwan Emeljanowitsch
26 unbekannt 19783 unbekannt
27 unbekannt 80523 Semenichin,
Jegor Jakowlewitsch
28 unbekannt 81257  unbekannt
29 unbekannt 81023 Korkin,
Fedor Egorowitsch
30 unbekannt 80265 Ljachow,
Pjetr Michajlowitsch
31 unbekannt 80292   unbekannt
32 unbekannt 79783 Sapon,
Michail Stepanowitsch
33 unbekannt 22159 Limoaschwili,
Jossif Schachowitsch
34 unbekannt 80158 Winogradov,
Stepan Antonowitsch
35 unbekannt 80158 Urwanzew, Mitrofan
Semjenowitsch
36 unbekannt 80158 Kosterin,
Alexandr Wasiljewitsch
37 unbekannt 80158 Ordewechow,
Scherim
Kobatirowitsch
38 unbekannt 20625 Tscherkaschin,
Iwan Iwanowitsch
39     Tschepajkin,
Pawel Fjodorowitsch

Für eines der 5 Opfer, für die die selbe Erkennungsmarkennummer angegeben war, gab es in der Datenbank bei OBD Memorial eine Personalkarte 1, die als Ort der Beisetzung den Friedhof Holzen und die Grabnummer nannte. Diese Personalkarte 1 war vollständig ausgefüllt. Neben dem Namen und dem Vornamen waren zahlreiche andere Daten, so auch das Arbeitskommando 2356 in Holzen, in dem der Verstorbene gearbeitet hatte, angegeben. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass die anderen 4 Kriegsgefangenen im gleichen Arbeitskommando waren. Nach der Durchsicht von rund 20.000 Personalkarten konnten 7 weitere Verstorbene identifiziert werden. Am Ende der Nachforschungen verblieben nur 3 Einträge in der Liste ohne Namen. Durch weitere Recherchen kann vielleicht noch aufgeklärt werden wer die Kriegsgefangenen mit den EM 19783, 81257 und 80292 waren.

Die Familienangehörigen des Kriegsgefangenen Wafin, der in früheren Listen als Wasin geführt wurde, haben dank der neuen Information das Grab ihres Verwandten gefunden und planen nun einen Besuch in Deutschland.