In jedem Land der Erde gibt es auf Friedhöfen und Bestattungsorten Symbole und Zeichen, die an die Verstorbenen erinnern. Viele Besucher*innen des Internationalen Friedhofs am Rennweg in Dortmund sind daher schockiert, wenn sie erfahren, dass die grünen Wiesen, auf denen sie stehen, in Wirklichkeit Gräber sind. Die Ruhestätten der Verstorbenen des 2. Weltkriegs haben ein sehr unterschiedliches Aussehen. Während sich auf den Gräbern von Verstorbenen deutscher Nationalität in der Regel ein Kreuz, oft sogar mit dem Namen, befindet, ist das auf dem Internationalen Friedhof nicht der Fall. Tatsächlich hat der Internationale Friedhof heute einen parkähnlichen Charakter. Für die polnischen und serbischen Opfer wurden separate Grabfelder mit Grabmalen, die die Namen tragen, geschaffen, für die sowjetischen Kriegsopfer aber ist das nicht der Fall. Auf den Feldern der sowjetischen Kriegsopfer sind Obelisken, die in allgemeiner Form an die Zahl der Verstorbenen erinnern, aber nichts erinnert an den einzelnen Menschen. Das mag auch daran liegen, dass in der Nachkriegszeit viele Namen nicht bekannt waren. Viele der als unbekannt begrabenen Menschen waren Kriegsgefangene, die im Stalag VI D an der Westfalenhalle verstorben sind. Die Identität dieser Menschen war der Wehrmacht, der das Lager unterstand, bekannt. Die Namen wurden der Friedhofsverwaltung jedoch nicht mitgeteilt. Die Verstorbenen trug man als „unbekannt“ in das Sterbebuch beim Hauptfriedhof ein. Dieses Sterbebuch zeigt für die Zeit vom Herbst 1941 bis zum Frühjahr 1943 keinen einzigen namentlichen Eintrag. Die Personaldokumente der Verstorbenen wurden regelmäßig an die Wehrmachtsauskunftstelle gesandt. Die Kriegsgefangenen, die nicht namenlos begraben wurden, kamen aus den Arbeitskommandos, in denen sie Zwangsarbeit leisten mussten. Viele starben dort durch tödliche Arbeitsunfälle oder wurden auf der Flucht erschossen.
Die Stadt Dortmund hat die namenlosen Bestattung einer sehr großen Zahl von sowjetischen Kriegsgefangenen und von sowjetischen Zivilarbeiter*innen weder während des Krieges noch in der Nachkriegszeit hinterfragt. In der Nachkriegszeit wurden auf vielen Friedhöfen die Grabmarkierungen von den Gräbern entfernt, so auch auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg. Ein Kreuz oder ein Grabstein blieb den sowjetischen Kriegsopfern auch in der Nachkriegszeit versagt, da die damalige NRW-Landesregierung dies für zu kostenintensiv hielt.
Wie viele sowjetische Kriegsopfer tatsächlich auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg begraben sind, ist bis heute unbekannt. Kurz nach dem Krieg wurden verschiedene Zahlen genannt. So spricht ein Dokument aus der Sowjetunion von 17000 Verstorbenen, die dort begraben sind. Das Sterbebuch des Hauptfriedhofs für sowjetische Kriegsgefangene, das jedoch lückenhaft ist, und die Sterbeurkunden von Zivilarbeiter*innen weisen insgesamt 1755 namentliche Einträge auf und 3230 Einträge mit dem Vermerk „unbekannt“. Diese Zahl wurde in der Nachkriegszeit, auf Verlangen der Alliierten, von der Stadt Dortmund an die Bezirksregierung in Arnsberg gemeldet. Die sowjetischen Militärbehörden erhielten ebenfalls eine Nachricht über die Zahl der verstorbenen sowjetischen Bürger*innen.
An diesen Zahlen aus der Nachkriegszeit hält die Stadt Dortmund bis heute fest, obwohl Personaldokumente von verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter*innen, die in Westdeutschland Zwangsarbeit leisten mussten, heute in verschiedenen Archiven zugänglich sind. So ist es durch umfangreiche Recherchen, die zu einem wesentlichen Teil von Dmitriy Kostovarov vom historischen Verein Ar.kod.M e.V. durchgeführt wurden, gelungen eine große Anzahl von Namen der auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg begrabenen sowjetischen Kriegsgefangenen zu ermitteln.
Heute gibt es eine Namensliste mit 4466 Namen, die sowohl der Stadt Dortmund als auch dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Botschaft der Russischen Föderation vorliegt. Die tatsächliche Zahl der Bestattungen auf dem Internationalen Friedhof dürfte aber viel höher sein, als die dokumentierten 4985 Bestattungen. Es lässt sich eine größere Zahl von Todesfällen nachweisen, die nicht eingetragen wurden. Man muss also davon ausgehen, dass in den Kriegswirren wahrscheinlich nicht alle Bestattungen dokumentiert wurden. Die Beschäftigung mit diesem Thema zeigt, dass viele Schicksale noch im Dunkeln liegen. Es zeigt sich aber auch, dass heute viele Recherchemöglichkeiten in Archiven bestehen. Weitere Nachforschungen müssten von der Kommune selbst durchgeführt werden oder zumindest großzügig unterstützt werden, wenn sie von bürgerschaftlichen Initiative angestellt werden.