In Russland gibt es ein geflügeltes Wort „Rojal w Kustach“, „der Konzertflügel im Gebüsch“, ein- bis zweimal im Jahr wird er für ein feierliches Konzert hervorgeholt, den Rest des Jahres ist er im Gebüsch vergessen. Es besteht die Gefahr, dass das geplante Zwangsarbeiter*innen-Denkmal, das demnächst auf der Kulturinsel im Phönix-See errichtet werden soll, ein ähnliches Schicksal erleiden könnte.
Im Frühjahr 2019 fasste der Rat der Stadt Dortmund endlich einen Beschluss: das Zwangsarbeiter*innen Denkmal soll auf der Kulturinsel im Hörder Phönix-See errichtet werden. Bis zu diesem Beschluss war es ein langer Weg. Von Dortmunder Bürger*innen wird seit vielen Jahren ein Ort gefordert, der an die Menschen, die in Dortmund Zwangsarbeit leisten mussten, erinnert. Vereine und Initiativen in Dortmund setzen sich seit Jahren für die Errichtung einer solchen Gedenkstätte ein. Immerhin gab es für ein Zwangsarbeiter*innen-Denkmal einen Wettbewerb am Fachbereich Architektur der FH Dortmund und eine glückliche Gewinnerin. Doch der prämierte Entwurf landete fürs erste in der Schublade. Nachdem die Entscheidung für die Errichtung des Denkmals gefallen war, musste die Gewinnerin des Wettbewerbs erst noch ausfindig gemacht werden, denn sie hatte inzwischen ihr Studium abgeschlossen und Dortmund verlassen. Da nun die Urheberfragen geklärt waren, hätte dem Bau des Denkmals nichts mehr im Wege gestanden. Am südlichen Ufer des Phönix-Sees wurde ein Platz gefunden, doch dann kamen Einsprüche von Anwohner*innen, die den tagtäglichen Anblick eines solchen Denkmals als Zumutung empfanden. Nach dem Ratsbeschluss im Frühjahr 2019 schließlich hätte der Errichtung des Denkmals nichts mehr im Weg gestanden, zumal auch die Finanzierung gesichert ist. Es fehlen nur noch die erforderlichen Baugrunduntersuchungen. Doch nicht nur der sich ständig verzögernde Baubeginn, sondern auch der Standort auf der Kulturinsel gibt Anlass zu Fragen und Kritik.
Wie zu erfahren war, soll der derzeit angedacht Standort auf Wunsch der Stadtspitze gewählt worden sein. Unglücklicherweise wird das Denkmal dort durch Bäume und Elektroverteiler verdeckt. Dieser eher abgelegene Platz auf der Kulturinsel dient den Besucher*innen heute für allerlei Zwecke. Er wird als Hundewiese genutzt, und da der Ort schlecht beleuchtet ist, wird er nachts für private Partys und anderes benutzt. Grund für die Standortwahl sei auch die Zurückgezogenheit des Ortes, doch nur sehr wenig spricht für einen solchen Standort für ein Denkmals, das an die Zwangsarbeit in Dortmund erinnern soll. Es steht dort versteckt hinter Infrastruktureinrichtungen und Bäumen und ist vom einzigen Zugang zur Kulturinsel nur eingeschränkt einsehbar. Die Rasenfläche hinter dem Denkmal könnte zukünftig verstärkt zu privaten Partys einladen und sogar das Denkmal selbst könnte Ort nächtlicher Vergnügungen werden. Die Lage birgt zudem die erhöhte Gefahr von Vandalismus. Dieser Ort ist schwerlich ein Erinnerungsort, der den Menschen das Schicksal von tausenden Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die in Dortmund Zwangsarbeit leisten mussten, näher bringt.
Warum erhält ein solches Denkmal keinen exponierten Platz auf der Kulturinsel? Soll es wie der „Konzertflügel im Busch“ ein oder zweimal im Jahr als Kulisse für Gedenkfeiern dienen, statt als Teil einer Geschichtsachse für die Dortmunder Bürger*innen ein sichtbarer Erinnerungsort an die bisher leider nur teilweise aufgearbeitet Geschichte der Zwangsarbeit in Dortmund zu sein. Die Belegschaften vieler Dortmunder Betriebe und Zechen bestanden während des 2. Weltkrieges zu fast 50 % aus Zwangsarbeiter*innen. Alleine Hoesch hatte nach eigenen Angaben, aus dem Jahr 1946 gegenüber der Britischen Militärverwaltung, mehr als 13 500 Arbeitskarten von sowjetischen Zwangsarbeiter*innen.
Das Denkmal auf der Kulturinsel muss zu einem Erinnerungsort werden und zusammen mit der Thomas-Birne auf der Kulturinsel und der Erinnerungstafel für das Stahlwerk Phoenix Ost am nahen Seeufer eine Geschichtsachse bilden.