Die Befreiung des Stalag 326

Am Nachmittag des 2. April 1945 wurde das Stalag 326 (VI K) Stukenbrock in der Senne befreit. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich im Lager etwa 10.000 Kriegsgefangene, darunter etwa 1000 Kranke im Lazarett. Für die Bewachung des Lagers waren nur noch etwa 50 Wehrmachtssoldaten zurückgeblieben. Ab dem 20. März waren amerikanische Truppen an das Lager herangerückt. Aufseiten der Wehrmacht gab es verschiedene Auffassungen wie mit dem Stalag umgegangen werden sollte. Einerseits bestand die Auffassung, das Lager mithilfe der in Augustdorf stationierten SS zu verteidigen, andererseits gab es die Auffassung, das Lager kampflos zu übergeben. Dadurch war das Lager aber von deutscher Seite praktisch führerlos geworden. Die deutsche Lagerleitung hatte auch die Versorgung der Kriegsgefangenen eingestellt, obwohl noch Lebensmittelmittel im Lager waren.

Stalag 326

Im Lazarett des Stalag hatte sich Ende März bereits eine Initiativgruppe bestehend aus sowjetischen Offizieren gebildet, der unter anderen Oberst Kurinin und die Militärärzte Siltschenko und Matwejew angehörten. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen die Leitung des Lagers übernommen und baten um eine Unterredung mit dem deutschen Lagerkommandanten. Diese Unterredung fand am Vormittag des 2. Aprils statt. Die sowjetische Delegation forderte unter anderem die sofortige Versorgung und die künftige Selbstversorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln sowie die Übergabe des Lagers in die Verwaltung der sowjetischen Initiativgruppe. Der Militärarzt Oberstleutnant  Matwejew berichtet über diese Unterredung: „Wir erläuterten dem deutschen Lagerkommandanten, dass die Gefangenen kein Brot bekämen und die Küche aufgehört habe, Essen zuzubereiten, so dass die Gefangenen durch den Hunger bis zum Äußersten gebracht würden. Der deutsche Oberst war gezwungen, uns zuzustimmen in Bezug auf die Unhaltbarkeit der geschaffenen Lage und gab in unserer Anwesenheit den Befehl, für die Gefangenen Nahrungsmittel auszugeben. Dieser Befehl wurde sofort ausgeführt, denn  als wir nach der Zusammenkunft mit dem Kommandanten durch die Baracken gingen, um die Gefangenen zu beruhigen und ihnen zu sagen, dass die Befreiung nahe sei, wurde zu dieser Zeit bereits Brot, Zucker und Margarine verteilt.“

Lagerführung des Stalag 326 nach der Befreiung

Um 14.00 Uhr erreichten die amerikanischen Truppen das Lager. In den folgenden Tagen organisierten die Amerikaner die Versorgung für die ehemaligen Kriegsgefangenen. „Es gab Dauerkeks, Büchsenmilch, Fruchtkonserven, Milchpulver und anderes“ berichtete G.M. Matwejew. Die Ernährung für die ehemaligen Gefangenen verbessert sich, sie wurden neu eingekleidet und jeder erhielt ein Bett mit Bettzeug. Die Kranken wurden in Krankenhäuser verlegt. Die Initiativgruppe übernahm die Organisation des Lagers.


Am Tag nach der Befreiung ging die neue Lagerführung auf den Friedhof der Kriegsgefangenen in Stukenbrock. Der Militärarzt Siltschenko schildert, was sie sahen: „36 große Massengräber, jedes 116 Meter lang und 2,20 Meter breit, die sich auf freiem Feld befanden. Die Grabhügel waren 10 bis 12 cm hoch und ragten kaum über die Erde. Eines der Gräber war noch nicht zugeschüttet, und man sah die Leichen, manche völlig nackt, manche in Papiersäcken, in sechs Schichten übereinander…Die Führung fasste den Entschluss, das Andenken an die zu früh umgekommenen Sowjetsoldaten zu verewigen“ So fertigte der Künstler A.A. Mordan, der selbst Gefangener des Lagers 326 war, einen Entwurf für ein Ehrenmal an.

Die Fotos und die Zitate der Zeitzeugenberichte sind dem Buch „Das Lager 326, Augenzeugenberichte, Fotos, Dokumente“, Herausgeber Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock, Porta Westfalica, 1988, entnommen