Derne – Unbekannte erhalten ihre Namen zurück

Im Stadtarchiv Dortmund existieren über die Dortmunder Friedhöfe, auf denen Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen beigesetzt sind, zahlreiche Dokumente aus der Nachkriegszeit. Das Stadtarchiv besitzt Skizzen, die von der Friedhofsverwaltung nach Aufforderung der Britischen Kommission in den Jahren 1946 bis 1951 angefertigt wurden, darunter auch eine Skizze des katholischen Friedhofs in Derne. 1946 wurden 14 Grabstellen ohne Angabe der Lage angegeben. 1948 jedoch zeigte eine Skizze für Feld 26 elf nebeneinanderliegende Gräber. In den Unterlagen des Stadtarchivs ist für diese Zeit jedoch kein Exhumierungsprotokoll für sowjetische Bürger zugänglich, das diese Veränderungen erklären könnte. Ein Besuch auf dem Friedhof sollte daher weitere Klarheit bringen. Das Feld mit den Gräbern befand sich am Rande des Friedhofs, ein abgegrenztes Viereck mit winterharten Pflanzen und ein paar Büschen. In der Mitte stand eine Säule mit der Inschrift: „Hier ruhen 11 unbekannte sowjetische Bürger“. Die Recherchen ergaben, dass die Säule zwischen 1970-75 errichtet wurde.

Waren die Verstorbenen tatsächlich „unbekannt“ und wie viele Menschen wurden hier wirklich begraben? Erste Nachforschungen bei OBD-Memorial ergaben einen Namen. Die Arbeitskarte des Kriegsgefangenen, Schjuss Petr, hatte den Vermerk – gestorben 20.09.1942, in Derne, auf Zeche Gneisenau. Das bedeutete, es existieren noch Dokumente für diesen Ort. Weitere Nachforschungen bei OBD-Memorial haben weitere 11 Personalkarten 1 von verstorbenen Kriegsgefangenen, die in Derne begraben sind, ergeben.

Nr. Name Sterbedatum Grab Quelle
1 Schjuss, Petr 20.09.1942   OBD
2 Bogatirew, Iwan 07.01.1943 50 OBD,
Kirchenbuch
3 Aschichmin, Ilija 28.01.1943 56 OBD
4 Brikow, Alexandr 05.02.1943 57 OBD
5 Kondrakow, Egor 14.03.1943 68 OBD
6 Ewdochimow, Wladimir 26.03.1943 72 OBD
7 Martinow, Iwan 25.04.1943 73 OBD
8 Dormidontow,
Wasili
24.05.1943 78 OBD
9 Karpenko, Pawel 24.05.1943 79 OBD
10 Riabucha, Riotr 06.06.1943 85 OBD
11 Buschuew, Witalie 15.06.1943 87 OBD
12 Gusew, Wasili 07.08.1943 91 OBD

Die meisten Personalkarten 1 tragen Stempel mit dem Vermerk „begraben Kath. Friedhof- Derne, Feld 26, Grab Nr. 50“ (im Frühjahr 1943) bis „begraben Kath. Friedhof- Derne, Feld 26, Grab Nr. 91“ im August 1943. Alle Personalkarten 1 geben eine Todesursache an. „Tuberkulose“, „auf der Flucht erschossen“, „Genickbruch“, „Tod nach Verbrennungen“ sind am häufigsten genannt. Die Vermerke auf den Karten besagen also, dass von Januar bis August 1943 verstorbene sowjetische Kriegsgefangene auf Feld 26 von Grab 50 bis Grab 91 beigesetzt wurden.
Aber war das Grab Nummer 91 tatsächlich das letzte auf diesem Gräberfeld? War das Grab Nummer 50 das erste für sowjetische Kriegsgefangene? Weitere Recherchen in Archiven von Dortmunder Krankenhäusern und der katholische Gemeinde St. Aloisius haben gezeigt, dass Bestattungen bis zum Ende des Krieges durchgeführt wurden. Mit Unterstützung des Katholischen Pfarrers in Derne konnten noch neun weitere „Russen“ gefunden, darunter vier Kinder.

N Name Sterbe-
datum
Sterbe-
urkunde
Weitere Quelle
1 Maximowa, Wita 01.05.1944 85/44 Kirchenbuch
2 Kolow, Paul 20.05.1944 93/44 Kirchenbuch
3 Lenitschewa, Nelli 23.02.1945 99/45 Kirchenbuch
4 Lenitschew, Viktor 04.03.1945 115/45 Kirchenbuch
5 Kabanow, Wasili 23.05.1945   Kirchenbuch
6 Tschewjakowski,
Apolonia
12.03.1944 56/44
7 Kowalenko, Iwan 10.03.1945 131/45
8 Kolodziejczuk, Michael 22.04.1945 266/45
9 Unbekannter Russe 19.05.1943 199/43

Zwei Stelen zeigen heute 22 Namen, 21 sowjetischen BürgerIinnen und einen Franzose.

Die beiden Stelen wurden durch den Bezirksbürgermeister von Scharnhorst eingeweiht. An der Gedenkfeier nahmen Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche und der Botschaft der Russischen Föderation, Kinder der russischen Schule und zahlreiche Gäste aus Derne teil.

Aufgrund der geposteten Liste haben drei Familien ihre Angehörige gefunden. Die Familien Aschichmin, Rjabucha und Schjuss haben um Fotos gebeten und darum, Blumen vor den Stelen niederzulegen.