Deutsche Soldaten

Neben 28 Millionen sowjetische Kriegsopfern sind auch 8 Millionen Deutsche ums Leben gekommen. Das Schicksal vieler deutscher Gefallener ist ihren Familien nicht bekannt. Der Tod wurde zwar registriert, doch viele Familien wissen bis heute nicht, wo ihre Angehörigen gestorben sind und wo sie begraben wurden. Einige suchen nicht, weil sie das Vergangene vergessen wollen, andere wissen nicht, dass Nachforschungen möglich sind. Nach deutschem Recht darf nur die Familie eine Suche initiieren. Angehörige haben manchmal noch Dokumente und Briefe aus der Kriegszeit, aber sie wissen nicht wie sie mit der Suche beginnen sollen.
In der Anfrage eines älteren Herrn, die aus einem Ort bei Kiel kam, hieß es, dass seine Mutter das letzte Lebenszeichen seines Vaters von einem seiner Kameraden erhalten habe. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sei er zu seiner Mutter gekommen und habe über ein Treffen mit seinem Vater erzählt. Dieser sei zu damals sehr krank gewesen und befand sich in einem Lagerlazarett. Er habe noch Hoffnung gehabt wieder nach Hause zu kommen.
Es gab noch einige Briefe mit der Nummer des Lagers. Mit der Unterstützung von Ehrenamtlichen in Russland gelang es, Dokumente und Pläne von den Lagern in der betreffenden Region zu beschaffen und zu prüfen. Der Gesuchte war an den Folgen seiner Erkrankung, am 3.1.1946, im Lazarett des Lagers N 15, gestorben und wurde auf dem Friedhof des Stadt Prokopijewsk in Sibirien unter der Nummer 674 begraben. Leider existiert dieser Friedhof nicht mehr. Es ist unwahrscheinlich, dass der Sohn in seinem Alter nach Sibirien fährt, aber er hat jetzt Gewissheit.

In einem anderen Fall hatte eine Familie Briefe, wusste aber nicht wo ihr Angehöriger gefallen war. In einem Brief schrieb er „nach dem Urlaub in Frankreich fahren wir wieder an die Ost-Front nach Stalingrad“. Ein Brief hatte die Anschrift der 16. Panzer-Division und eine Feldpostnummer. Der Gesuchte war aber offenbar in der 6. Panz.Div., die von März bis November 1942 in Frankreich war. Weitere Recherchen zeigten, dass diese Division bei Stalingrad, im Ortsteil Tatarskaja, durch die sowjetischen Artillerie erhebliche Verluste erlitten hatte. Es ist unwahrscheinlich, dass in einem solchen Fall ein Grab existiert, aber den Ort, an dem ihr Angehöriger vermutlich gefallen ist, kennt die Familie jetzt.

Eine andere Familie hatte die Briefe eines Angehörigen und den Brief seines Hauptmanns mit der Todesnachricht. Sie fragten nach dem Krieg nicht danach, wo er beerdigt ist oder ob es überhaupt ein Grab gibt. Ein Schriftwechsel mit dem „Volksbund – Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.“ in Kassel, ergab, dass der Gesuchte bei Kriwoi Rog gefallen ist. Wegen der Situation in der Ukraine ist die Suche nach den Überresten und die Umbettung nach Deutschland nicht möglich. Der Gefallene wurde aber in das Ehrenbuch der Stadt Kirowograd eingetragen. Die Familie war froh über das Ergebnis der Suche, um das zu unterstreichen, sagten sie – „wenn alle Deutschen Informationen über solche Möglichkeit hätten, wüssten vielen Familien mehr über das Schicksal ihrer Angehörigen.“

Hückeswagen-wenn man mit Angehörigen spricht

Einen großen Teil meiner Tätigkeit nimmt die Begleitung von Familienangehörigen ein, die das Grab ihres Verwandten besuchen wollen. Die Menschen finden Information über Suchaktionen im Internet und kontaktieren den Autor oder Ehrenamtliche. Manche erfolgreiche Recherche endet mit dem verständlichen Wunsch das Grab zu besuchen.
Die Probleme, die die Familienangehörigen dann haben sind immer die gleichen: fehlende Deutschkenntnisse, Schwierigkeiten ein Hotel zu finden und mit öffentlichen Verkehrsmitteln an den Ort zu gelangen, an dem sich das Grab befindet. Meine Landesleute aus der ehemaligen Sowjetunion und ich bieten unsere Hilfe bei den Reisevorbereitungen und auf der Reise in Deutschland an, dazu nutzen wir unsere Netzwerke.
2014 hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Swetlana aus Moskau. Nach einer Diskussion im Internet über die richtige Schreibweise von Namen, hat sie ihren Großvater gefunden. Nach dem Krieg hat die Ehefrau des Verstorbenen, Swetlanas Großmutter, viele Jahre nach ihrem Mann gesucht und versucht etwas über sein Schicksal herauszufinden. Bevor Swetlanas Großmutter 2003 starb, versprach die Enkelin weiterzusuchen. Ihre Treue und Geduld wurde belohnt. Sie hat im Internet Informationen über das Grab ihres Großvaters gefunden. Wie immer war die erste Frage, die nach einem Foto der Grabstätte.
Der Friedhof, auf dem Swetlanas Großvater begraben ist, hat eine idyllische Lage, er ist in gutem Zustand. Es handelt sich um einen Friedhof, der sich auf einem privaten Grundstück befindet, der Friedhof wird regelmäßig gepflegt. Auf dem Friedhof sind 44 umfriedete Einzelgräber. Auf jedem Grab war damals ein Stein mit der Grabnummer. Am Eingang des Friedhofs steht eine Friedenskapelle, zweimal täglich läuten die Glocken. Dieser Ort ist bei den Menschen in Hückeswagen sehr beliebt. In den vergangenen Jahren haben viele Veranstaltungen und Gottesdienste in der Friedenskapelle stattgefunden. Einmal in Jahr legt der Bürgermeister einen Kranz nieder und viele Bürgerinnen und Bürgern nehmen an der Kranzniederlegung teil.
Auf dem Friedhof befindet sich ein Felsblock mit einer zweisprachigen Namensliste. Leider sind viele Namen falsch geschrieben. Der örtliche Geschichtsverein und der Eigentümer des Grundstücks, der Mitglied dieses Vereins ist, haben bei ihren Nachforschungen die Namen aus verfügbaren Dokumenten abgeschrieben. Sie hatten als einziges Dokument eine Liste, die nach dem Krieg von der Kommune für die britische Kommission erstellt wurde.

Swetlana war es als Erster der 44 Familien geglückt den richtige Namen und das Grab ihres Großvaters zu finden. Die ganze Familie hatte entschieden eine Grabplatte auf dem Grab aufzustellen. Die Reisevorbereitungen, das Visum, das Buchen des Hotels und der Flüge haben uns viel Zeit und Nerven gekostet, aber eines Tages war es soweit und Swetlana kam in Düsseldorf an. Wenn jemand mit zahlreichen Kränzen und einer übergewichtigen Marmorplatte zur Zollkontrolle kommt, gibt es immer viele Fragen. Aber alle Fragen sind unwichtig, wenn die Zollbeamten die Kopie der Personalkarte 1 eines Kriegsopfers sehen. Für das Übergewicht der Marmorplatte musste Swetlana dennoch zusätzliche Frachtgebühren zahlen. Nach einer kurzen Begrüßung sind wir zum Grab des Großvaters gefahren. Am gleichen Tag haben wir zusammen die Platte auf dem Grab Nummer 1 aufgestellt. Dieser Abend war sehr emotional und tränenreich. Die ganze Woche über haben wir die 44 Grabumrandungen von Moos und Grün gereinigt. Die Leute aus dem Ort haben uns dabei unterstützt. Der Eigentümer war sehr warmherzig und hat sich an die Presse gewandt, die über Swetlanas Besuch berichtet hat. In der kleine Stadt Hückeswagen, die nur 16.000 Einwohner hat, leben fast 2000 Bürgerinnen und Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion, die durch Swetlanas Besuch von dem Friedhof und den Gräbern erfahren haben.
Als Swetlana, nach ihrem Urlaub, wieder nach Moskau geflogen ist, haben wir uns auf dem Flughafen versprochen, alle Namen der Verstorbenen für die Familien ausfindig zu machen. Aus Moskau hat Swetlana unsere Suchaktion weiter betrieben. In kurzer Zeit haben wir für fast alle Namen die richtigen Schreibweise gefunden und die Namen um den Vaternamen ergänzt und diese dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und der russischem Botschaft mitgeteilt. Von Moskau aus hat meine Bekannte die Familie des Verstorbenen in Grab 3 in Russland gefunden und kurz danach die Familie für das Grab Nummer 8. Geplant war nun auf weiteren Gräbern Grabplatten aufzustellen. Da sich der Abstimmungsprozess zwischen den Beteiligten hinzog, hat Swetlana die Platten für die ersten drei Gräber aus eigener Tasche bezahlt und mich um Hilfe gebeten. Aus ästhetischen Gründen sollte zwischen dem 1. und 3. Grab keine Lücke sein und auf den ersten 3 Gräbern Platten aus Marmor aufgestellt werden. Ich musste die günstigste Lösung finden. Swetlana hatte Kontakt mit der Familie aufgenommen, dessen Angehöriger in Grab 2 beerdigt ist. Diese Familie stellte nun eigene Recherchen an. Eine Urenkelin hat sogar über ihren Urgroßvater und sein Schicksal in Deutschland ein Referat in ihrer Schule gehalten. So habe ich erfahren, dass der Kriegsgefangene von Grab 2 zusammen mit meinem Großvater, im Jahr 1937, bei Dynamo Kiew Fußball gespielt hat.

2016 haben der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und die Botschaft der Russische Föderation ein Projekt begonnen. Auf allen Gräbern sollten Grabplatten mit den Namen der Verstorbenen aufgestellt werden. Nach meinen Recherchen wurde eine Namensliste mit den vollständigen Namen in kyrillischer Schrift und den Grabnummern angefertigt. Ein Steinmetz aus Dorsten, mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion,

hat auf seinen Arbeitslohn verzichtet und nur das Material berechnet. Die ganze Umgestaltung des Friedhofs wurde von Freiwilligen durchgeführt. Swetlana hat noch einige Male ihren Urlaub im Hückeswagen verbracht. Bei der Reinigung und Instandhaltung der Gräber hat sie viele Freunde und Bekannte gefunden.

Auch die Mitglieder des Vereins „Kreisgeschichte“ haben großes Interesse an der Neugestaltung des Friedhofs gezeigt und mir weitere Informationen gegeben. Ich habe herausgefunden, dass auf dem kommunalen Friedhof in Hückeswagen, am Rand des Friedhofs, das Feld F existierte. Auf diesem Feld lag eine Platte mit der Inschrift „Hier ruhen 10 Russen, 1 Belgier, 1 Pole und 1 unbekannte Nationalität“, ohne Namen, ohne Grabreihe. Das war für mich Anlass genug für neue Recherchen. Ich begann meine Suche im Archiv in Remscheid und parallel bei OBD-Memorial. Dort fand ich 10 Namen von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen mit Sterbedatum und Grabnummer. Die Grabnummern gehen mit Lücken von 211 bis 224. In Remscheid war noch ein weiteres Dokument mit dem Namen eines Jungen, der in Hückeswagen gestorben ist. Das Datum passte genau zu einer Lücke in den laufenden Grabnummern. Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um den Namen des „Unbekannten“ handelt. Für einige Gestorbene habe ich die Personalkarte 1 gefunden und konnte daher für diese Opfer den Namen noch um den Vatername ergänzen. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde ein weiteres Projekt des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und der Botschaft der Russische Föderation begonnen. Heute gibt es auf Feld F des kommunalen Friedhofs in Hückeswagen zwei Platten mit elf Namen in lateinischer und kyrillischer Schrift.
So hat die Anfrage von Swetlana auch zu einer vollständigen Namenslisten von Kriegsopfern in einem kleinen Ort im Bergischem Land geführt.

Opferzahlen aus der Nachkriegszeit und Nachforschungen heute

Die Erinnerung an die Opfer des zweiten Weltkriegs, die als Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen in deutschen Lagern ihr Leben verloren haben, basiert in Westdeutschland auf Datenerhebungen, die der alliierte Kontrollrat durchführen ließ. In jedem Ort mussten kommunale deutsche Verwaltungen Zahlen über die verstorbenen Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen und die Bestattungsorte zusammenstellen, dabei konnten sie nur auf Dokumente aus deutschen Verwaltungen und Betrieben zurückgreifen. Von 1945 bis 1953 sammelten die Vertreter der vier Siegermächte Daten über die Verbrechen der Nazis und fertigten Namenslisten an. In der Regel sandten Offiziere der jeweiligen Militärverwaltung Anfragen an die städtischen Verwaltungen, um Opferzahlen und Namen zu erhalten. Die Antworten, die von den Alliierten nicht in Zweifel gezogen wurden, bildeten die Grundlage für Ergebnisprotokolle. Am Ende ergab sich die Zahl der Opfer und eine, für die damalige Zeit, annähernd vollständige Namensliste der Kriegsopfer. Die Alliierten erstellten für jeden noch so kleinen Ort Ergebnisprotokolle und legten die Opferzahlen fest. Die Erfassung der Namen erfolgte nach Nationalitäten getrennt. Später wurden in Lagern und Behörden weitere Karteien und Archive gefunden. Da waren die Ergebnisprotokolle mit den Opferzahlen bereits angefertigt und kommuniziert.

Während des Krieges sind Dokumente von verstorbenen Kriegsgefangenen an die WASt (Wehrmachtsauskunftstelle) nach Berlin gesandt worden. Für Dokumente, die durch Bombenangriffe zerstört wurden, sind bei der WASt häufig Ersatzdokumente erstellt worden. Leider ging ein Teil dieser Dokumente in den letzten Monaten des Krieges in den Kriegswirren für immer verloren.
Erst Jahre später wurden die Dokumente der WASt nach Nationen aufgeteilt, katalogisiert und erforscht. Diese Aufteilung war erst in den 1960er Jahren abgeschlossen. Dennoch wurden die Opferzahlen in den Kommunen in den allermeisten Fällen nicht korrigiert.

Heute stehen für Nachforschungen zahlreiche Archive zur Verfügung, in denen eine sehr große Zahl Dokumente lagern, die Aufschluss über die Identität der Verstorbenen geben können. Diese Dokumente zeigen uns heute das Ausmaß der Verbrechen.
Das Arolsen Archives, International Center on Nazi Persecution https://arolsen-archives.org/
ermöglicht Recherchen und Anfragen. Bei der Dokumentationsstelle Dresden steht die „Datenbank sowjetische Kriegsgefangene“ zur Verfügung https://www.stsg.de/cms/dokstelle/content/auskuenfte/sowjetische-buerger/kriegsgefangene/datenbank/db-kriegsgefangene
Über 3 Mio. Dokumente von Verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen befinden sich im Gesamtarchiv des Verteidigungsministeriums der Russische Föderation (Общая База Данных – Мемориал OBD-Memorial) in Podolsk bei Moskau www.obd-memorial.ru

Zu den Beständen gehören Dokumente aus der Kriegszeit und der Nachkriegszeit, u.a. Todeslisten, Arbeitshefte aus Betrieben, Arbeitskarten, Transportlisten und Überführungskarten und Namens- und Opferlisten, die im Auftrag der Alliierten nach Kriegsende angefertigt wurden. Alle diese Dokumente sind für Interessierte offen auf den Internetseite von „OBD-Memorial“ zu sehen und sie ermöglichen heute neue Erkenntnisse durch Informationen, die nach dem Krieg nicht zugänglich waren. Mithilfe von Dokumenten der Roten Armee kann die falsche Schreibweise des Namens in vielen Fällen korrigiert werden. Der Zugang zu diesen Dokumente macht es möglich fast vollständige Namensliste von Kriegsopfer zu erstellen. Die Resultate dieser Nachforschungen ergeben höhere und viel glaubwürdiger Zahlen von Opfern, die in einem verbrecherischen Krieg gestorben sind.

Reihe zwei, Zweiter von links

Mehr als 80 Jahre galt Abdul Junussow als vermisst. Seine Ehefrau hatte aus Duschanbe in Taschikistan zweimal eine Anfrage zum Verbleib ihres Mannes nach Moskau gesandt. Die Antwort lautete „ Vermisst bei Charkow “ 2017 stellte der Enkel, mit Unterstützung von Experten, Nachforschungen im Internet an. „Bereits nach einer halben Stunde hatte ich die Antwort“ berichtete er. Einer der Experten hatte Abdul Junussows Personalkarte 1 gefunden und antwortete: „Dein Großvater war als Kriegsgefangene in Westdeutschland. Er war im Stalag VI K in Stukenbrock und kam von dort ins Stalag VI A in Hemer, gestorben ist er im Kreis Unna.“ Ein Stempel auf der Personalkarte 1 besagt, dass Abdul Junussow Kriegsgefangener in Heeren-Werwe im Arbeitskommando 72 war und durch „Brustquetschung“ ums Leben kam. Wahrscheinlich hatte er einen tödlichen Arbeitsunfall unter Tage. Die Karte gibt an, dass er auf dem Evangelischen Friedhof Heeren-Werve „Reihe 2, 2. von links“begraben ist. Im Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution gibt es einen Plan des Friedhof, auf dem die Gräber verzeichnet sind.

Die Vorbereitung einer Reise nach Deutschland dauerte dann noch zwei Jahre. Mit Unterstützung des historischen Vereins „Ar.kod.M“ besuchte Abdul Junussows Enkel, zusammen seiner Frau, Anfang September das Grab seines Großvater. Er brachte eine kleine Platte mit einem Gedenkspruch mit und Erde vom Grab seiner Großmutter. Am Grab des Großvater hielt er eine kurze muslimische Trauerzeremonie ab.



Gedenken in Stukenbrock

Am 7. September fand auf dem russischen Soldatenfriedhof des ehemaligen Stalag 326 in Stukenbrock die alljährliche Mahn- und Gedenkveranstaltung statt. In einer sehr persönlichen Rede erinnerte der Schauspieler Rolf Becker an das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen. Er kritisierte die NATO und die Außenpolitik der Bundesregierung und betonte die besondere Verantwortung Deutschlands für die Erhaltung des Friedens.

In der Zeit von 1941 bis 1945 befand sich in Stukenbrock eines der größten Lager für sowjetische Kriegsgefangene. Von hier aus wurden sie zur Zwangsarbeit nach Westdeutschland, insbesondere ins Ruhrgebiet, gebracht. Viele Tausend starben jedoch bereits im Stalag 326 an Hunger, Krankheit und Vernachlässigung. Ein Obelisk, der 1945 von Überlebenden des Lagers errichtet wurde, trägt die Inschrift
„Hier ruhen die in faschistischer Gefangenschaft zu tode gequält 65000 russischen Soldaten. Ruht in Frieden Kameraden
1941-1945

Das letzte Lebenszeichen kommt aus Gelsenkirchen

Für die meisten Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, die im Krieg ihren Vater oder ihren Großvater verloren haben, ist es wichtig zu wissen, wo ihr Angehöriger bestattet ist und einen Ort des Gedenkens und der Erinnerung zu haben.

Nadeshda und ihre beiden Söhne hatten, mit Unterstützung verschiedener Organisationen in Russland, viele Jahre nach ihrem Vater und Großvater gesucht. Die Suche war sehr schwierig. Das Researche Centre in Jekaterinburg fand zwar Dokumente, wichtige Daten, wie der Vatername, der bei Namensgleichheit für die Identifizierung des Toten besonders wichtig ist, und das Geburtsdatum stimmten nicht. Da das Researche Centre keine deutschen Dokumente ausgewertet hatte, konnte die Identität nicht eindeutig bestimmt werden. Ar.kod.M erklärte sich bereit die Suche zu unterstützen, weitere Nachforschungen anzustellen und auch Dokumente deutscher Stellen auszuwerten. Schließlich wurde in Gelsenkirchen eine Personalkarte 1 mit Angaben gefunden, die zu dem Verstorbenen passten. Leider war der Ort, an dem er begraben wurde, nicht genau bezeichnet.

Die Familie entschloss sich trotzdem nach Gelsenkirchen zu fahren und den Ort, an dem ihr Vater und Großvater die letzten Monate seines Lebens verbracht hat, kennen zu lernen. Ar.kod.M hat die Familie auf dieser Reise begleitet. In Gelsenkirchen besuchte sie Friedhöfe, auf denen sowjetische Kriegsgefangenen begraben sind. Vermutlich hat Nadeshdas Vater vor seinem Tod auf einer Zeche in Gelsenkirchen gearbeitet, deshalb besuchte die Familie auch Schacht Hugo II in Gelsenkirchen-Buer.

Nach 70 Jahren – Gedenken für den verstorbenen Großvater

Vor 2 Jahren fand Igor in der Datenbank OBD-Memorial die Personalkarte 1 seines Großvaters. Die Familie hatte mehr als 70 Jahre nach dem Verstorbenen gesucht. Die Personalkarte 1 gibt Auskunft über das Schicksal von Igors Großvater Pawel Alekseewitsch Terentjew .
Er gerät bereits im Herbst 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach der Registrierung im Lager 367 in Polen wird er nach Hemer in das Stalag VI A geschickt. Hunger, Kälte, das völliger Fehlen der einfachsten Versorgung und die lange Reise in offenen Güterwagen haben ihn krankgemacht. Kurz nach der Ankunft im Stalag VI A in Hemer stirb er. Beerdigt wird er auf dem Friedhof Höcklingser Weg in Hemer. Obwohl der Ort seiner Beisetzung auf der Personalkarte 1 genau vermerkt ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen, wo genau sein Grab ist.
Der Friedhof wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten umgestaltet.

Gemeinsam mit seiner Frau besuchte Igor den Friedhof am Höcklinger Weg. Mitgebracht hatte er ein Säckchen Erde vom Grab seiner Großmutter. Igor verstreute die Erde nahe dem orthodoxen Kreuz auf dem Friedhof und nahm ein Säckchen Erde aus Hemer mit nach hause. Die Erde soll auf dem Grab seiner Großmutter verstreut werden.

Mein Herz hängt an diesem Ort

Anfang August besuchte Swetlana Kommissarova aus Moskau das oberbergische Hückeswagen. Sie kam, um das Grab ihres Großvaters zu pflegen. Vor einigen Jahren hatte sie, mit Unterstützung von Ar.kod.M e.V., das Grab ihres Großvaters Konstantin Samarin auf einem kleinen Friedhof in Hückeswagen-Vosshagen gefunden. 1941 und 1942 wurden dort vierundvierzig sowjetische Kriegsgefangene begraben. Swetlana Kommisarova setzt sich sehr für die würdige Gestaltung des Friedhofs ein. Sie sagte „Mein Herz hängt an diesem Ort.“ Außerdem hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Angehörige der 43 Verstorbenen ausfindig zu machen.

Nachkriegszeit


In jedem Ort wurde die Zahl der Opfer unter den Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen durch Behörden zusammengestellt, dabei konnten die alliierten Militärbehörden nur auf Dokumente der deutschen Verwaltungen und Betriebe zurückgreifen. Von 1945 bis 1953 sammelten die Vertreter der vier Siegermächte Daten über die Verbrechen der Nazis und fertigten Namenslisten an. In der Regel sandten Offiziere der jeweiligen Militärverwaltung Anfragen an die städtischen Verwaltungen oder an örtliche Betriebe, um Opferzahlen und Namen zu erhalten. Die Antworten, die von den Alliierten nicht  in Zweifel gezogen wurden, bildeten die Grundlage für Ergebnisprotokolle. Am Ende ergab sich die Zahl der Opfer und eine, für die damalige Zeit annähernd vollständige Namensliste der Kriegsopfer.  Die Alliierten erstellten für jeden noch so kleinen Ort Ergebnisprotokolle und legten die Opferzahlen fest. Die Erfassung der Namen erfolgte anfangs nach Nationalitäten getrennt.



Jugendliche aus Kasachstan besuchen den Internationalen Friedhof in Dortmund

Drei Jugendliche aus Kasachstan, die zur Zeit an der Uni Dortmund einen Kurs besuchen, haben gemeinsam mit Dmitriy Kostovarov den Internationalen Friedhof in Dortmund besucht. Wie in den meisten Familien aus der ehemaligen Sowjetunion, haben auch die Familien der Jugendlichen Angehörige im 2. Weltkrieg verloren.

Die jungen Leute interessierten sich dafür, wie viele Menschen auf dem Internationalen Friedhof begraben sind und aus welchen Ländern sie kamen. Zum Gedenken an die Opfer zündeten sie Kerzen an und legen Blumen an einem Gedenkstein nieder.